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Balthasar Glättli: «Die Umwelt, das Klima, wir alle wären Verlierer»
Aus Tagesschau am Vorabend vom 02.03.2022.
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Eintretensdebatte Gletscher-Initiative hat einen schweren Stand im Nationalrat

Von Rot-Grün kommt zwar Unterstützung, doch die Bürgerlichen tun sich schwer mit dem verlangten Verbot von fossilen Brenn- und Treibstoffen. Sie bevorzugen den weniger scharfen Gegenvorschlag.

Der Nationalrat diskutiert als Erstrat über die Gletscher-Initiative. Es ist eine regelrechte Monsterdebatte: 70 Rednerinnen und Redner haben sich angemeldet. Insgesamt sind acht Stunden für das Geschäft vorgesehen, verteilt auf zwei Tage. Die ersten zweieinhalb Stunden sind vorbei.

Die Gletscher-Initiative: Darum geht es

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Das fordert die Initiative: Die Initiative «Für ein gesundes Klima» (Gletscher-Initiative) verlangt, dass die Schweiz ab 2050 nicht mehr Treibhausgase ausstossen soll als natürliche und technische CO₂-Speicher aufnehmen können. Auch sollen ab diesem Zeitpunkt in der Schweiz grundsätzlich keine fossilen Brenn- und Treibstoffe (Öl, Gas, Benzin oder Diesel) mehr in Verkehr gebracht werden dürfen. Ausnahmen sind möglich bei Anwendungen, für die es keine technischen Alternativen gibt.

Das schlägt der Bundesrat vor: Die Initiative geht ihm zu weit. Er beantragt dem Parlament einen direkten Gegenentwurf. Dieser sieht auch Netto-Null CO₂-Emissionen bis 2050 vor. Der Bundesrat verzichtet darin aber auf ein grundsätzliches Verbot fossiler Energieträger. Er will zudem, dass neben der Sozialverträglichkeit der Klimapolitik auch die spezielle Situation der Berg- und Randgebiete berücksichtigt werden. Denn diese seien mit dem öffentlichen Verkehr schlechter erschlossen als städtischere Gebiete.

Der Gegenentwurf hält in einem neuen Verfassungsartikel überdies fest, dass die nationale Sicherheit nicht negativ beeinträchtigt werden dürfe: Armee, Polizei und Rettungsdienste sollen bei Bedarf auf fossile Treibstoffe zurückgreifen können.

Das ist der aktuelle Stand: Der Nationalrat debattierte als Erstrat über die Gletscher-Initiative. Schon seine vorberatende Kommission empfahl sie zur Ablehnung, hat aber mit 15 zu 9 Stimmen bei 1 Enthaltung entschieden, dem Begehren bis zur Sommersession 2022 einen indirekten Gegenentwurf gegenüberzustellen. Diese Kommissionsinitiative will die Kernanliegen der Gletscher-Initiative im CO₂-Gesetz konkretisieren. Der Weg über eine Gesetzesrevision sei rascher umsetzbar als jener über eine Verfassungsrevision, so die Begründung.

Auch der indirekte Gegenentwurf hat das Ziel von Netto-Null Treibhausgasemissionen bis 2050, formuliert aber kein Verbot fossiler Energieträger. Dafür soll gesetzlich verankert werden, dass der Verbrauch von fossilen Treib- und Brennstoffen so weit zu vermindern sei, wie dies technisch möglich und wirtschaftlich tragbar ist.

SP und Grüne stehen wie erwartet hinter dem Anliegen: «Ein Temperaturanstieg um ein halbes Grad hat riesige Auswirkungen, etwa für den Anstieg des Meeresspiegels», mahnte Bastien Girod (Grüne/ZH). Der Rhonegletscher sei mittlerweile derart geschrumpft, dass er vom Tal her kaum noch zu sehen sei, berichtete Baptiste Hurni (SP/NE). Und 2019 habe das Val-de-Ruz die schlimmsten Überschwemmungen seit je erlebt.

Mit der Initiative ein Pfand in der Hand behalten will die GLP, wie Sprecher Martin Bäumle (ZH) es nannte. Seine Fraktion wolle das Begehren unterstützen, bis sicher sei, dass ein Gegenvorschlag zustande komme, der diesen Namen auch verdiene. Handeln wollen auch die Bürgerlichen, aber nicht mit der Initiative, sondern mit dem weniger scharf formulierten direkten Gegenvorschlag des Bundesrates.

Grünen geht Gegenvorschlag zu wenig weit

Diesen unterstützt auch die SP. Anders die Grünen: Ihnen geht dieser Vorschlag zu wenig weit. Zwar will auch die Regierung das «Netto Null»-Ziel 2050 in die Verfassung schreiben. Fossile Energieträger will sie dabei nicht verbieten, sondern den Verbrauch senken, soweit dies technisch machbar und für Wirtschaft und Sicherheit des Landes vereinbar ist.

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Nationalratsdebatte zum Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative
Aus Tagesschau vom 02.03.2022.
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Die Mitte-Fraktion wolle mit Rücksicht auf die Berggebiete auf den direkten Gegenvorschlag eintreten, sagte Priska Wismer-Felder (Mitte/LU). «Das Ziel erreichen wir nicht mit einer starren Verbotspolitik», sagte auch Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG) im Namen der FDP.

Die SVP-Fraktion ist für ein doppeltes Nein. Christian Imark (SO) sprach von einem «ungeniessbaren Paket». Auf die Schnelle auf Netto Null zu reduzieren, sei für die Schweiz mit erheblichen Risiken und Schwierigkeiten verbunden. Für Therese Schläpfer (SVP/ZH) ist es «überheblich», zu glauben, Menschen könnten Gletscher retten.

Spezifische Hilfe für die Berggebiete verlangt Jon Pult (SP/GR) mit einem Einzelantrag. Für diese dürften keine Ausnahmen geschaffen werden, «als wären sie Hinterwäldler». Vielmehr müsse ihnen geholfen werden, die Dekarbonisierung gleich schnell zu schaffen wie die Menschen im Tal.

Linearer Absenkpfad ist umstritten

Zum direkten Gegenvorschlag liegen mehrere Anträge vor. Umstritten ist zunächst, ob ein linearer Absenkpfad für Treibhausgasemissionen vorgegeben werden soll. So beantragt es der Bundesrat. Der Mehrheit der Umweltkommission (Urek-N) ist dies aber zu wenig differenziert.

Wer steckt hinter der Gletscher-Initiative?

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Zwei Männer legen eine Gletscher-Initiative-Fahne auf einen Felsen am Rand eines Gletschers
Legende: 22. September 2019: Gedenkfeier für den Pizolgletscher. Keystone

Die Gletscher-Initiative wurde am 27. November 2019 mit rund 113'000 gültigen Unterschriften eingereicht. Der Trägerverein der Gletscher-Initiative ist der Verein Klimaschutz Schweiz, der nach eigenen Angaben mehr als 3000 Mitglieder zählt. Im Verein Klimaschutz Schweiz sind neben Umweltorganisationen Wissenschaftler, Kirchen, Landwirtschaft und Wirtschaft vertreten. Im Initiativkomitee sind Vertreter aus der einstigen BDP und CVP (heute «Die Mitte»), GLP, FDP, SP und den Grünen.

Sie will das Wort «linear» streichen. Dies mit Blick auf die technische Entwicklung und unterschiedliche Voraussetzungen einzelner Branchen. Eine Minderheit hätte zunächst wie der Bundesrat vorgehen wollen. Sie zog aber ihren Antrag zurück – zugunsten einer von Marco Romano (Mitte/TI) vorgeschlagenen verbindlicheren Formulierung.

Der direkte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative dürfte mehrheitsfähig sein, ist aber nur ein Zwischenziel. Eine Mehrheit des Parlaments bevorzugt einen indirekten Gegenvorschlag, der in der Sommersaison ins Parlament kommt. Der Grund: Er könnte rascher umgesetzt werden und die Chancen stünden besser, dass die Initianten ihre Initiative zurückziehen. Die Debatte geht am Donnerstag weiter.

Tagesschau, 02.03.2022, 19:30 Uhr;

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