Darum geht es: Anstatt im Gefängnis können künftig mehr Personen in der Schweiz ihre Strafe mit einer Fussfessel zu Hause absitzen. Dafür sorgt ein neuer Leitentscheid des Bundesgerichts. Demnach kann der unbedingte Teil der Strafe bei Verbüssung mit Electronic Monitoring bis zu zwölf Monate betragen. Bisher war eine Fussfessel nur möglich, wenn die gesamte Freiheitsstrafe nicht mehr als ein Jahr betrug. Damit gleicht das Bundesgericht seine Rechtsprechung derjenigen zur Halbgefangenschaft an.
Weitere Bedingungen: Damit eine Strafe statt im Gefängnis mit Fussfessel verbüsst werden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. So darf keine Fluchtgefahr vorliegen. Auch darf nicht die Gefahr bestehen, dass die verurteilte Person weitere Straftaten begeht. Weiter muss sie einer geregelten Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgehen oder es muss ihr eine solche zugewiesen werden können. Nicht zuletzt müssen mit der verurteilten Person in derselben Wohnung lebende Erwachsene dem Electronic Monitoring zustimmen.
Die Personen brauchen sehr viel Disziplin – sie müssen sich an die vorgegebenen Zeiten halten, sich absprechen und vorausschauen.
Die Folgen des Urteils: «Wir rechnen damit, dass es jetzt zu mehr Anträgen von verurteilten Straftätern für Electronic Monitoring kommt», sagt Anna Katarina Wenger. Sie leitet die elektronische Überwachung per Fussfessel im Kanton Bern. Derzeit sind die Gefängnisse im Kanton Bern zu fast 99 Prozent ausgelastet, deshalb verspricht sich der Kanton vom Leitentscheid des Bundesgerichts auch eine Entlastung der Haftanstalten. Es gehe dabei aber nicht darum, Geld zu sparen, betont Wenger – auch wenn die Verbüssung einer Haftstrafe mit Fussfessel die Allgemeinheit billiger kommt als eine Haftstrafe.
Nicht immer geeignet: Eine Haftstrafe mit Fussfessel zu verbüssen sei für die Betroffenen sehr anspruchsvoll, betont Wenger. «Die Personen brauchen sehr viel Disziplin – sie müssen sich an die vorgegebenen Zeiten halten, sich absprechen und vorausschauen.» Im Gegensatz dazu sei der Tag im Gefängnis ohne eigenes Zutun getaktet und organisiert. Sich beim Electronic Monitoring selber zu organisieren, gelinge nicht allen Betroffenen. Manche benötigten deshalb sozialarbeiterische Unterstützung. Denn Ziel der Strafe sind ja auch Kriminalitätsprävention und Re-Integration.
Wir sind sehr nahe an den Betroffenen dran: Abends und an den Wochenenden gibt es einen Pikettdienst, der ihnen zur Verfügung steht.
Gute Ergebnisse: Auch wenn es in keinem Bereich menschlichen Tuns eine hundertprozentige Erfolgsquote gebe – für Wenger ist das Electronic Monitoring ein grosser Erfolg. Genaue Zahlen über Abbrüche von mit Fussfesseln verbüssten Strafen kann sie allerdings keine nennen. Immerhin: «Wir sind sehr nahe an den Betroffenen dran: Teils haben wir täglich Kontakt mit ihnen, abends und an den Wochenenden gibt es einen Pikettdienst, der ihnen zur Verfügung steht.» So versuche man, die angestrebten Fortschritte für die Zeit nach Strafverbüssung zu erzielen.
Das Fazit: «Die Verbüssung einer unbedingten Gefängnisstrafe mit Fussfessel ist für Personen geeignet, die etwas verändern möchten, sich in einem erhaltenswerten Umfeld befinden und einer geregelten Arbeit nachgehen», fasst Wenger zusammen. Dadurch könnten Kosten für die Allgemeinheit gesenkt werden, die Gefängnisse würden entlastet und ausserdem könne intensiver mit den Verurteilten zusammen in Sachen Kriminalitätsprävention gearbeitet werden. «Wir sprechen und arbeiten regelmässig mit ihnen – und so versuchen wir, eine Resozialisierung zu erzielen.»