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Emotionale Zeitreise Kult-Telefonkabine kommt für Ausstellung zurück in Basler Zentrum

Die Telefonkabine am Barfüsserplatz war der Treffpunkt in Basel. 2019 entfernt, zeigt sie jetzt ein Museum nebenan.

Sechs Ecken, dunkelblauer Metallrahmen, fünf Münz- und Kartentelefone: Die Telefonkabine am Basler Barfüsserplatz stand nicht nur im Stadtzentrum, sie war auch mitten im Herzen vieler: Genau vor dieser Kabine verabredeten sich Generationen; als Treffpunkt für Liebe, Geschäft und Ausgang haben sie viele Menschen in persönlicher Erinnerung. Nun kommen die Kult-Kabinen für eine Ausstellung zurück ins Zentrum von Basel.

Viele Menschen haben dort ihre erste Liebe getroffen.
Autor: Patrick Moser Kurator am Historischen Museum Basel

«Viele Menschen haben dort ihre erste Liebe getroffen», erzählt Patrick Moser, Kurator am Historischen Museum Basel (HMB). Bei Regen konnte man «am Schärme» drinnen auf den Schatz warten und ignorierte den penetranten Zigarettengestank dafür gerne. Auch andere Düfte waren darin markant, obwohl öffentliche Toiletten nahe lagen.

Die Telefonkabine am Barfüsserplatz – der Treffpunkt schlechthin

Je mehr Leute jedoch ein Mobiltelefon besassen, desto weniger wurde in diesen Kabinen tatsächlich telefoniert. In der grössten davon richtete sich vor der Demontage sogar ein Obdachloser mit seinen Habseligkeiten ein.

Parlament setzte sich für die Kabine ein

Selbst die Basler Politik beschäftigte sich mit den Kult-Kabinen. Die Grüne Kantonsparlamentarierin Jo Vergeat regte vor der Ausserbetriebnahme an, sie dem HMB zu vermachen und einen würdigen Ersatztreffpunkt einzurichten. Ihr Vorstoss wurde vom Rat stillschweigend überwiesen. «Für viele Generationen war und ist die Telefonkabine beim «Barfi» ein fester Bestandteil ihrer (Ausgeh-)Geschichte. Sie erfreut sich im Basler Gedächtnis einer überaus grossen Beliebtheit», schrieb Vergeat 2019.

138 Jahre gab es in der Schweiz Telefonkabinen

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Die Swisscom hatte 1990 noch rund 60'000 Telefonkabinen in der ganzen Schweiz im Betrieb, dies unter ihrer Bezeichnung «Publifon». Mit der Demontage der letzten davon im Jahr 2019 endete ein 138-jähriges Kapitel Telekommunikationsgeschichte.

Im Herbst jenes Jahres wurde diese Kult-Kabine als letzte der Swisscom in Basel ausser Betrieb genommen und demontiert. Die landesweit letzte Swisscom-Kabine wurde übrigens nur gerade zwei Monate später in Baden demontiert. Die Basler Kabine wurde nicht verschrottet, sondern sorgfältig zerlegt, dem HMB vermacht und dort eingelagert. Das dauerte eine ganze Woche.

Zuvor fand ein gut besuchtes Abschiedsfest unter dem Titel «Aadie Delifoonkabine» der Basler Organisation «Kulturstadt Jetzt» statt. Die Frage eines Ersatztreffpunkts statt der Kabine werde im Rahmen eines Gestaltungswettbewerbes für den Platz berücksichtigt, schrieb die Basler Regierung im Januar 2023. Der Regierungsrat anerkenne «die prägende Wirkung der Telefonkabinen am Barfüsserplatz für den Ort und für die breiten Bevölkerungsschichten». Gegenüber der «Basler Zeitung» liess Regierungspräsident Beat Jans durchblicken, dass dabei auch eine Rückkehr der Kult-Kabine auf den Barfi denkbar sei.

Telefone als Werbe-Vor-Wand

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Telefonkabine «Telecab»
Legende: Als Werbefläche noch immer präsent: die Telecabs SRF/Roger Lange

Die Stilllegung der Swisscom-Telefonkabinen war noch nicht das Ende aller Telefonzellen in der Schweiz: Die Allgemeine Plakatgesellschaft (APG) besitzt derzeit noch 109 runde Glaskabinen, Modell «Telecab 2000». Davon stehen 66 in Zürich und 28 in Basel, die übrigen in der Deutschschweiz zwischen Biel und Winterthur. Anrufe daraus in Schweizer Fest- und Mobilnetze sind gratis, ausser an Bezahl-Nummern.

Das Geschäft der APG mit diesen Kabinen sind nicht die Anrufe, sondern die beleuchteten Werbeflächen. Seit 1930 nutzt das Unternehmen Telefonzellen als Werbertäger, teils an bester Publikumslage.

Entworfen worden waren die Telecabs 1995 von der APG in enger Zusammenarbeit mit Swisscom sowie dem Institut für ganzheitliche Gestaltung (IGGZ) als Ersatz für öffentliche Notrufsäulen. Die Digitalisierung und der Boom der Smartphones haben seither jedoch auch diese Kabinen weitgehend obsolet gemacht. Laut APG werden einfache Reparaturen noch vorgenommen, zuletzt Anfang März in Zürich. Ersetzt werden Telecabs aber nicht mehr – sie sind also ein Auslaufmodell.

Jetzt ist die Kult-Kabine also vorübergehend wieder auferstanden, wenn auch stumm als Teil einer Ausstellung des HMB. Dies passenderweise in Sichtweite des früheren Standortes, nämlich vor dem Museum, das in der umgenutzten Barfüsserkirche über dem Platz thront.

Die Basler Kabine ist übrigens nicht die einzige Publifon-Kabine, die in einem Museum gelandet ist: Die allerletzte aus Baden hat das Museum für Kommunikation in Bern erhalten. Nach Angaben der Swisscom wurden rund 650 ihrer Publifone umgenutzt, unter anderem als Getränkeautomaten, Defibrillatorstandorte, öffentliche Bücherschränke oder Bars.

Regional Diagonal, Das Magazin, 11.03.2023, 12:03 Uhr ; 

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