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Ende der Heiratsstrafe Soll man Verheiratete individuell besteuern?

Verheiratete sollen künftig individuell besteuert werden, um die Heiratsstrafe endlich ganz abzuschaffen. Gegner sehen den Systemwechsel als unsinniges Bürokratiemonster, das neue Ungleichheiten schaffe. Traditionelle Einverdiener-Familien würden bestraft, Doppelverdiener entlastet.

Der Plan: Bisher werden Eheleute gemeinsam besteuert. Obwohl dies verfassungswidrig ist. Auch gleichgeschlechtliche Paare in eingetragener Partnerschaft füllen nur eine Steuererklärung aus. Wenn von diesen Paaren jedoch jeweils beide berufstätig sind, zahlen bei der direkten Bundessteuer wegen der Steuerprogression oft mehr Steuern. Diese sogenannte Heiratsstrafe möchte die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» beseitigen.

Künftig sollen also alle Erwachsenen ihre eigene Steuererklärung ausfüllen – unabhängig von ihrem Zivilstand. Das Volksbegehren wird auch «Steuergerechtigkeits-Initiative» genannt. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab und schlägt einen indirekten Gegenvorschlag vor, der bei der direkten Bundessteuer ansetzt. So soll der Wechsel rascher möglich werden, da er «nur» eine Gesetzesänderung braucht und nicht eine Verfassungsänderung.

Heiratsstrafe schreckt Ehewillige ab

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«Je höher die Heiratsstrafe ausfällt, desto eher entscheidet sich ein Paar gegen eine Ehe», sagte die Ökonomin Nadia Myohl der »NZZ am Sonntag«. Ihre Forschungsarbeit an der Universität St. Gallen zeigt: Wenn die steuerliche Belastung wegen der Heirat um einen Prozentpunkt gemessen am gemeinsamen Einkommen steigt, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Ehe um 14 Prozent. Laut Myohl kommt hier der abschreckende Effekt der Heiratsstrafe zum Tragen. Ohne Kinder sei die Ehe zur Absicherung weniger wichtig. Deshalb würden kinderlose Paare mit zwei guten Salären eher auf eine Hochzeit verzichten, um Steuern zu sparen.

Die Gewinner: Mit dem Gegenvorschlag soll die Steuerlast gemäss Bundesrat für eine deutliche Mehrheit der Steuerzahlenden sinken. Die grösste Entlastung könnte es für Ehepaare geben, bei denen beide ähnlich viel verdienen. Das schliesst auch viele Rentnerpaare ein. Unverheiratete Personen ohne Kinder würden wegen der Absenkung des Steuertarifs ebenfalls entlastet.

Paar sitzt in einem Gartenrestaurant.
Legende: Ein Grund zum Feiern? Wie so oft lohnt es sich, das Kleingedruckte zu lesen: Viele Paare würden zwar von der Abschaffung der Heiratsstrafe profitieren – aber nicht alle. Keystone/Gaetan Bally

Auch die Wirtschaft soll profitieren. Der Bundesrat erhofft sich von der Individualbesteuerung ein Mittel gegen den Fachkräftemangel. Es soll jene Personen zu einer Erwerbsarbeit oder einer Erhöhung des Arbeitspensums ermuntern, die bisher wegen der Heiratsstrafe darauf verzichtet haben.

Die Verlierer: Der radikale Umbau des Systems in der Ehepaarbesteuerung schaffe neue Ungerechtigkeiten, bemängeln Kritiker. Traditionelle Einverdiener-Familien würden bestraft, Doppelverdiener entlastet.

Sparschwein
Legende: Ein weiterer Verlierer ist schnell identifiziert: Die Staatskasse. Dabei ist gerade der Bund um jeden Zustupf froh. Keystone (Archiv)

Insbesondere Eltern mit nur einem Einkommen in der mittleren und höheren Klasse wären besonders betroffen von der Reform. Sie würde auch unverheiratete Paare mit Kindern steuerlich mehr belasten. Und die Staatskassen würden mit dem Wechsel jährlich schätzungsweise rund 600 Millionen Franken verlieren.

Die Argumente der Gegner:  SVP und Mitte-Partei waren seit je gegen die Individualbesteuerung. Die Mitte nennt diese «ein Bürokratiemonster». Das Umstellen des kompletten Steuersystems sei teuer, aufwändig und unnötig. Auch für die Steuerzahlenden: Künftig müssten rund 1.7 Millionen Menschen mehr eine Steuererklärung ausfüllen in der Schweiz. Und die Ehepaare müssten entscheiden: Wem gehört das Haus? Wem das Auto, wem die Ferienwohnung?

Die Mitte-Partei hat  2024 ihre «Fairness-Initiative» eingereicht. Sie will an der gemeinsamen Besteuerung von Ehegatten festhalten und die Heiratsstrafe durch Splitting oder Zweiverdiener-Abzüge beseitigen, wie das die Kantone bereits gemacht hätten. Ein Referendum gegen die Individualbesteuerung wäre sehr wahrscheinlich.

Diskussion in der Sendung «Forum» auf Radio SRF 1: Bringt die Individualbesteuerung mehr Steuergerechtigkeit und hilft gegen den Fachkräftemangel? Oder würden damit neue Ungleichheiten und ein Bürokratiemonster geschaffen? Welches Familienmodell wollen wir in der Schweiz fördern? Diskutieren Sie mit in den Kommentaren.

Gäste in der Sendung

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Forum
Legende: SRF

Am Donnerstag, 8. Mai 2025, 10.00 bis 11.00 Uhr, diskutiert Yvonne Hafner in der Sendung «Forum» auf Radio SRF 1 mit folgenden Gästen:

  • Christa Markwalder, ehemals FDP-Nationalrätin und Vorstandsmitglied FDP Frauen
  • Marianne Binder-Keller, Ständerätin Die Mitte, Kanton Aargau

 Online: Eric Dauer

Anmerkung der Redaktion

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Hinweis: Dieser Beitrag wurde erstmals am Montag, 16. September 2024, um 05:55 Uhr veröffentlicht und am 6. Mai 2025 aktualisiert.

Radio SRF 1, 06.05.2025, 16:20 Uhr

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