Der Plan: Bisher werden Eheleute gemeinsam besteuert. Obwohl dies verfassungswidrig ist. Auch gleichgeschlechtliche Paare in eingetragener Partnerschaft füllen nur eine Steuererklärung aus. Wenn von diesen Paaren jedoch jeweils beide berufstätig sind, zahlen bei der direkten Bundessteuer wegen der Steuerprogression oft mehr Steuern. Diese sogenannte Heiratsstrafe möchte die Volksinitiative «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung» beseitigen.
Künftig sollen also alle Erwachsenen ihre eigene Steuererklärung ausfüllen – unabhängig von ihrem Zivilstand. Das Volksbegehren wird auch «Steuergerechtigkeits-Initiative» genannt. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab und schlägt einen indirekten Gegenvorschlag vor, der bei der direkten Bundessteuer ansetzt. So soll der Wechsel rascher möglich werden, da er «nur» eine Gesetzesänderung braucht und nicht eine Verfassungsänderung.
Die Gewinner: Mit dem Gegenvorschlag soll die Steuerlast gemäss Bundesrat für eine deutliche Mehrheit der Steuerzahlenden sinken. Die grösste Entlastung könnte es für Ehepaare geben, bei denen beide ähnlich viel verdienen. Das schliesst auch viele Rentnerpaare ein. Unverheiratete Personen ohne Kinder würden wegen der Absenkung des Steuertarifs ebenfalls entlastet.
Auch die Wirtschaft soll profitieren. Der Bundesrat erhofft sich von der Individualbesteuerung ein Mittel gegen den Fachkräftemangel. Es soll jene Personen zu einer Erwerbsarbeit oder einer Erhöhung des Arbeitspensums ermuntern, die bisher wegen der Heiratsstrafe darauf verzichtet haben.
Die Verlierer: Der radikale Umbau des Systems in der Ehepaarbesteuerung schaffe neue Ungerechtigkeiten, bemängeln Kritiker. Traditionelle Einverdiener-Familien würden bestraft, Doppelverdiener entlastet.
Insbesondere Eltern mit nur einem Einkommen in der mittleren und höheren Klasse wären besonders betroffen von der Reform. Sie würde auch unverheiratete Paare mit Kindern steuerlich mehr belasten. Und die Staatskassen würden mit dem Wechsel jährlich schätzungsweise rund 600 Millionen Franken verlieren.
Die Argumente der Gegner: SVP und Mitte-Partei waren seit je gegen die Individualbesteuerung. Die Mitte nennt diese «ein Bürokratiemonster». Das Umstellen des kompletten Steuersystems sei teuer, aufwändig und unnötig. Auch für die Steuerzahlenden: Künftig müssten rund 1.7 Millionen Menschen mehr eine Steuererklärung ausfüllen in der Schweiz. Und die Ehepaare müssten entscheiden: Wem gehört das Haus? Wem das Auto, wem die Ferienwohnung?
Die Mitte-Partei hat 2024 ihre «Fairness-Initiative» eingereicht. Sie will an der gemeinsamen Besteuerung von Ehegatten festhalten und die Heiratsstrafe durch Splitting oder Zweiverdiener-Abzüge beseitigen, wie das die Kantone bereits gemacht hätten. Ein Referendum gegen die Individualbesteuerung wäre sehr wahrscheinlich.
Diskussion in der Sendung «Forum» auf Radio SRF 1: Bringt die Individualbesteuerung mehr Steuergerechtigkeit und hilft gegen den Fachkräftemangel? Oder würden damit neue Ungleichheiten und ein Bürokratiemonster geschaffen? Welches Familienmodell wollen wir in der Schweiz fördern? Diskutieren Sie mit in den Kommentaren.