Was ist passiert? Der Bundesrat hat einen Vorschlag zur Einführung der Individualbesteuerung präsentiert. Damit will er die sogenannte Heiratsstrafe abschaffen. Denn verheiratete und gleichgeschlechtliche Paare, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben und eine gemeinsame Steuererklärung ausfüllen, müssen bei gleichem Jahreseinkommen teilweise höhere Steuern entrichten als unverheiratete Paare mit zwei getrennten Steuerveranlagungen.
Wer ist von der Heiratsstrafe betroffen? Sie trifft hauptsächlich Gutverdienende, also Ehen, bei denen jeder Ehepartner 75'000 bis 125'000 Franken Jahreseinkommen erzielt. Das sind gemäss Angaben des Bundes aus dem Jahr 2019 rund 454'000 Zweiverdiener-Ehepaare und 250'000 Rentner-Ehepaare, die bis zu 1.5 Milliarden Franken Steuern in die direkte Bundessteuer einzahlen.
Gibt es noch weitere Ansätze zur Beseitigung der Heiratsstrafe? Ja, mehrere. Der Vorschlag des Bundesrates ist gleichzeitig der indirekte Gegenvorschlag zu einer Volksinitiative der FDP-Frauen, die vor eineinhalb Jahren eingereicht wurde. Die sogenannte «Steuergerechtigkeits-Initiative» verlangt im Grundsatz das Gleiche wie der Bundesrat selbst vorgelegt hat, mit dem Unterschied, dass eine Initiative die Verfassung ändert, während der Bundesrat hierbei auf Gesetzesebene agiert. Weil die Arbeiten dazu bereits fortgeschritten seien und der Bundesrat den Gesetzesweg bevorzuge, lehne er die Initiative ab, heisst es in der Botschaft . Daneben hat die Mitte-Partei zwei Volksinitiativen zur Ehediskriminierung bei Steuern und Renten lanciert, aber noch nicht eingereicht. Die Frist läuft am 27. März aus.
Was fordern die beiden Mitte-Volksinitiativen? «Faire Steuern und Renten endlich auch für Ehepaare»: Mit diesem Slogan sammelt die Mitte-Partei mit Unterstützung der EVP Unterschriften für zwei Volksbegehren. Die Initiativen mit den Titeln «Ja zu fairen Steuern» und «Ja zu fairen AHV-Renten» zielen darauf ab, dass alle Paare – ob verheiratet oder nicht – in Zukunft gleich viele Steuern bezahlen und gleich hohe Renten erhalten sollen. Hinsichtlich der Steuern will die Mitte eine alternative Berechnungsmethode einführen, die der Besteuerung von unverheirateten Paaren entspricht. Bezahlen müsste das verheiratete Paar dann nur den tieferen Steuerbetrag. Wie viele Steuereinnahmen dem Bund dadurch entgehen und wer dafür aufkommt, bleibt unklar.
Wie geht es weiter? Nachdem der Bundesrat seine Botschaft zum indirekten Gegenvorschlag und der Initiative der FDP-Frauen präsentiert hat, gelangen die Geschäfte an die zuständigen Kommissionen von National- und Ständerat, bevor es dann in den Räten – wahrscheinlich erst nächstes Jahr – behandelt würde. Hinzu kommt: Bundesrätin Karin Keller-Sutter sagte an der Medienkonferenz, dass die Kantone, die die Einführung der Individualbesteuerung ebenfalls mittragen müssten, eine zehnjährige Übergangsphase forderten. Man könne aber mit den Kantonen später darüber verhandeln. Doch allein das zeigt: Es dürfte noch eine Weile dauern, bis verheiratete Paare hinsichtlich ihrer Besteuerung nicht mehr diskriminiert werden.