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Energiestrategie 2050 Leuthard: «Stromintensive Unternehmen sind auf meiner Seite»

Die Energiestrategie 2050 sei viel zu teuer und wirtschaftsfeindlich, sagen ihre Kritiker. Energieministerin Doris Leuthard verteidigt im Interview die Vorlage.

SRF News: Frau Bundespräsidentin, die Gegner der Energiestrategie sagen, sie sei zu teuer. Was sagen Sie ihnen?

Doris Leuthard: Nein. Ich glaube, die Energiestrategie ist schlussendlich dafür da, dass wir Energie sparen, dass wir effizienter werden. Beim Strom erhöhen wir den Netzzuschlag, dies ist mit 450 Millionen versehen und befristet.

Ein Nein wäre auch nicht im Sinne der SVP.

Sie sagen, der Strom wird etwa 40 Franken pro Jahr pro 4-köpfiger Familie teurer. Die SVP sagt, es seien 3200 Franken. Eine riesige Diskrepanz.

Netzzuschlag

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Stromkonsumenten bezahlen einen Mehrpreis von derzeit 1,5 Rappen pro Kilowattstunde, die sie verbrauchen. Das Geld fliesst vor allem in die Förderung erneuerbarer Energien. Die Energiestrategie 2050 sieht vor, diesen Zuschlag auf 2,3 Rappen zu erhöhen. Am 21. Mai entscheidet das Stimmvolk über die Vorlage.

Die SVP rechnet hier Kosten einer möglichen zweiten Etappe hinein und anderes, das gar nicht zur Disposition steht. Wir stimmen aber über dieses Gesetz ab. Bei einem Nein würden die heutigen Subventionen zudem unbefristet weiterlaufen. Das ist vermutlich auch nicht im Sinne der SVP.

Sie legen also Ihre Hand ins Feuer für diese 40 Franken? Denn der Bundesrat hat sich bei Vorlagen auch schon gewaltig verrechnet.

Das können Sie wirklich so ausrechnen. Den Verbrauch bestimmen Sie natürlich selber. Eine Familie kann die Zahl mit Stromeinsparungen in ihrem Haushalt auch gegen Null bewegen. Aber das ist dann individuell, das kann der Staat nicht vorschreiben.

Nicht nur die Konsumenten müssen mehr bezahlen, sondern auch Unternehmen. Viele KMU stöhnen schon jetzt, der Produktionsstandort Schweiz sei teuer und würde nun noch teurer. Das würde Jobs gefährden. Was sagen Sie ihnen?

Reden wir von den stromintensiven Unternehmen. Sie sind seit Einführung des Netzzuschlages von ihm befreit, respektive sie bekommen ihn zurückerstattet. Das werden wir sogar noch wirtschaftsfreundlicher ausgestalten, indem wir ihn auf Monatsbasis abrechnen. Für stromintensive Unternehmen ist das eine gute Sache, deshalb sind sie auch auf meiner Seite.

Für ein typisches KMU, eine Bäckerei, einen Coiffeur-Salon macht es natürlich etwas aus, je nachdem, wie viel Strom man verbraucht. Auch dort hat natürlich ein KMU wieder die Chancen, den Netzzuschlag zu reduzieren, indem es Einsparungen macht, neue Geräte anschafft etc.

Grosse Unternehmen sind im Wettbewerb besonders verletzlich.

Zum Thema

Die Grossen werden befreit, und die Kleinen müssen bezahlen. Ist das nicht ungerecht?

Diese Diskussion haben wir immer wieder. Die Grossen haben wir vor allem entlastet, weil sie immer noch den starken Schweizer Franken haben. Sie sind also im Export, im Wettbewerb besonders verletzlich. Und wir haben gesagt: Um auch den Werkplatz Schweiz zu stützen, machen wir diese Geste an die stromintensiven, an die energieintensiven Unternehmen.

Ihre Gegner sagen: Die Energiestrategie sei eine riesige Subventionsmaschinerie.

Ende des Atomstroms

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Es darf kein neues Kernkraftwerk mehr gebaut werden – auch das sieht die Energiestrategie 2050 vor. Weshalb aber etwas verbieten, das niemand vor hat zu tun? Doris Leuthard beantwortet die Frage eines Twitter-Users. Video

(Lacht) Ja, man kann Vieles behaupten. Wenn ich im Gesetz lese, unterstützen wir weiterhin die Wasserkraft, Photovoltaik, Solarthermie, Biomasse, Wind – Ressourcen also, die schon mit dem heutigen Gesetz unterstützt werden. Wir machen das noch eine Zeit lang, aber befristet. Denn die Preise für erneuerbare Energien kommen recht deutlich jedes Jahr am Markt zum Vorteil von uns allen günstiger daher. Deshalb ist die Subvention degressiv, und sie wird aufhören.

Wäre es nicht besser, man würde es einfach dem Markt überlassen?

Das wird in ein paar Jahren möglich sein, aber noch nicht jetzt. Sie sehen gerade am Beispiel der Wasserkraft: Sie ist dem Markt ziemlich ausgesetzt. Und in der Schweiz haben wir nun mal höhere Lohnkosten, höhere Bodenkosten – Fixkosten, die höher ausfallen als im Ausland. Wenn wir jetzt schon zu weit gehen, wird einfach nur noch importiert. Dann wird nur noch im Ausland investiert. Wir möchten aber auch in der Schweiz Arbeitsplätze in der Zukunft erhalten.

Das Interview führte Reto Lipp.

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