Das Ziel der Energiestrategie ist es, bis 2035 in der Schweiz 43 Prozent weniger Energie zu verbrauchen. Ob das nicht utopisch sei, will Moderator Mario Grossniklaus von der Energieministerin Doris Leuthard auf dem Prüfstand wissen. «Von 2000 bis 2015 haben wir bereits 14,5 Prozent auf diesem Weg geschafft.»
Nur das Prinzip Hoffnung?
Leuthard erklärt, dass der Bund bis 2020 auch neue technische Vorschriften für Neuwagen festlegen werde. Oder bei 1,4 Millionen Gebäuden aus den 1970er Jahren könnten nur schon mit dem Ersatz der Heizungen die Hälfte des Energieverbrauchs gespart werden.
Erneuerbare Energiequellen liefern nicht kontinuierlich Strom. Setzt hier der Gesetzgeber auf das Prinzip Hoffnung? Im Winter werde Strom importiert, das ändere sich nicht, sagt Leuthard dazu. Aber 75 Prozent der gesamten Energie der Schweiz werde importiert.
Zudem würden die Schweizer Atomkraftwerke auslaufen. «Bei einem Nein zum Energiegesetz läuft nichts. Die Energiestrategie will die Zeit bis dahin nützen, um erneuerbare Energiequellen aufzubauen», begründet Leuthard.
Wirklich nur Wind und Sonne?
Toni Brunner ist davon nicht überzeugt: «Es wird Werbung gemacht für Wind- und Sonnenenergie, die aber keinen gleichmässigen Strom liefert. Darum braucht es parallel dazu Kohle- und Gas-Kombi-Kraftwerke. Der massive Ausbau der erneuerbaren Energie in Deutschland hat in der Schweiz die Wasserkraft preislich kaputt gemacht.»
Es gehe in der Energiestrategie eben nicht nur um Wind und Sonne, sondern um eine ganze Palette von Energieeffizienz-Massnahmen, hält Eric Nussbaumer dagegen.
Das Problem sei aber, wie man in Zukunft den Strom aus Kernenergie ersetzen wolle, «weil Strom aus Sonne und Wind allein immer noch ein Reservekraftwerk benötigt, um Verbrauch und Produktion auszubalancieren», argumentiert Irene Aegerter .
«Verbaute Schweiz» nur «Angstmacherei»?
Der geplante Ausbau für Wind- und Sonnenenergie in der Schweiz benötige zusätzliche Solarpanels mit der Fläche des Zürichsees und rund 1000 Grosswindkraftwerke, erklärt Brunner.
«Das ist Angstmacherei», sagt Leuthard dazu. Das Energiegesetz sei kein Stromgesetz. Auch bei einem Nein sei in zwei Jahren Mühleberg vom Netz. Den Gegner wirft sie vor: «Euer Weg ist Denkstillstand.»
Kalt duschen?
Die einzige Alternative sei darum Effizienz und Erneuerbarkeit, so Leuthard: «Wir haben bis jetzt ohne Komforteinbusse 14,5 Prozent Energie gespart.» Auch in den kommenden 20 Jahren werde technologisch viel passieren. Darum diene die Energiestrategie auch als Innovationsschub.
Für Brunner ist es dennoch ein «Regulierungs- und Delegationsgesetz an die Kantone. Weil man die irrige Vorstellung hat, man könne die Energiewirtschaft auf 30 Jahre hinaus planen.»
«Es wird wehtun»
Das Referendumskomitee beschreibt zukünftige Horrorszenarien wie etwa «kalt duschen». Auf dem Prüfstand betont Brunner, mit dem Gesetz werde versucht, die Leute zum Sparen zu zwingen: «Ein Gesetz voller Vorschriften und Lenkungen wird den Leuten wehtun.»
Im Gesetz gebe es mehrere Durchsetzungsartikel: Der Bundesrat müsse dem Parlament Bericht erstatten und allenfalls Massnahmen verordnen. Das führe zu neuen Verboten und Verteuerungen.
Gerade die produktive Industrie, und eben nicht Dienstleistungsbetriebe, seien dagegen, weil diese 43 Prozent Energieeinsparung utopisch seien. Energieintensive Industrien (z. B. Stahlwerke) wären nicht mehr konkurrenzfähig, wenn sie den gleichen Strompreis bezahlen müssten wie die Haushalte.
Das strapazierte Kostenargument
Im Abstimmungskampf werden die zu erwartenden Kosten stark in den Vordergrund gestellt: Laut dem Gesetzgeber kostet das Energiegesetz 40 Franken mehr pro Jahr für einen Durchschnittshaushalt. Das Referendumskomitee spricht dagegen von 3200 Franken pro Jahr für den gleichen Haushalt.
«Im Gesetz gibt es tatsächlich einen Kostenpunkt: der Netzzuschlag von 1,5 auf neu 2,3 Rappen. Das macht für einen durchschnittlichen vierköpfigen Haushalt 40 Franken aus», erklärt Leuthard. Die SVP rechne aber noch eine Lenkungsabgabe (KELS) ein, die aber das Parlament ablehnen werde. [Die vorberatende Kommission UREK-N hat die KELS einstimmig abgelehnt.]
«Die 200 Milliarden Franken Gesamtkosten bis 2050 betreffen die ganze Energiestrategie», nicht nur die erste Etappe mit dem Energiegesetz, hält Brunner dagegen. Aber «man muss den Leuten reinen Wein einschenken und sagen, was noch alles kommt.» Dazu gehöre auch eine Lenkungsabgabe als zweite Etappe der Energiestrategie 2050.