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Energieversorgung Erhöhte Stromspannung: Notmassnahme des Bundes sorgt für Unmut

Seit ein paar Tagen ist die Stromspannung auf der Gemmileitung deutlich höher. Das gefällt nicht allen.

Ein Knistern liegt in der Luft in Leukerbad. Wortwörtlich. Seit ein paar Tagen ist im Walliser Thermalkurort ein Brummen zu hören. «Es ist fast ein bisschen unheimlich», sagt Gemeindepräsident Christian Grichting. Verantwortlich für das Knistern und Brummen ist die Hochspannungsleitung, die am Dorf vorbeiführt.

Der Grund: Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid hat temporär die Spannung der Leitung erhöht. Es ist ein Test, damit im Ernstfall alles klappt.

Die Gemmileitung transportiert seit den 1960er Jahren Strom zwischen Norden und Süden. Da der Bundesrat befürchtet, dass es im Winter zu Engpässen kommen könnte, darf Swissgrid seit Anfang Jahr kurzfristig die Spannung auf der Leitung von 220 Kilovolt auf 380 Kilovolt hochschrauben. So kann der Strom aus den Stauseen im Wallis und Berner Oberland im Notfall besser ins Mittelland abtransportiert werden.

Das Knistern könnte bleiben

Das Knistern und Brummen über den Dächern von Leukerbad in diesen Tagen ist für den Gemeindepräsidenten aber mehr als nur ein Testbetrieb: «Es ist ein Vorgeschmack darauf, was auf Leukerbad dauerhaft zukommen könnte.» Denn Swissgrid plant seit Jahren, die Spannung der Gemmileitung langfristig zu erhöhen. Dieser Ausbau sei nötig, sagt Swissgrid-Mediensprecher Jan Schenk und macht einen Vergleich: «Wir haben heute eine Autostrasse. Diese müssen wir in eine Autobahn umbauen, weil wir mehr Transportkapazität brauchen.»

Gemeindepräsident Grichting, im Hintergrund Strommasten und Dorf
Legende: «Wir bleiben dran», sagt Leukerbads Gemeindepräsident Christian Grichting. Er wehrt sich gegen die dauerhafte Spannungserhöhung der Gemmileitung. SRF/Ruth Seeholzer

Doch der Plan von Swissgrid stösst auf Widerstand. Aktuell ist ein Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht hängig. Die Gemeinde Leukerbad hat vergangenes Jahr zusammen mit weiteren Gegnern Beschwerde eingereicht. Denn: Höhere Spannung bedeute auch mehr Emissionen.

Jan Schenk von Swissgrid sagt dazu: «Unser Ziel ist es, das elektromagnetische Feld zu reduzieren.» Dafür brauche es aber umfangreiche Arbeiten, um die Leitung an die geltenden gesetzlichen Vorgaben anzupassen. «Es werden beispielsweise einige Masten erhöht, um den Abstand zum Boden zu erhöhen. Ausserdem wollen wir die Leitungen isolieren, sprich ummanteln.»

Und das Knistern und Brummen? Die Spannungserhöhung werde hörbar sein, die Geräusche zunehmen, «aber moderat und innerhalb der geltenden Grenzwerte», gibt Mediensprecher Schenk zu Bedenken.

Strommaste, im Hintergrund verschneites Dorf
Legende: Die 106 Kilometer lange Stromleitung von Chippis nach Bickigen soll ausgebaut werden. Diese Pläne beschäftigen die Behörden seit Jahren. SRF/Ruth Seeholzer

Dies alles vermag Gemeindepräsident Grichting nicht zu überzeugen. Ihm wäre es am liebsten, die Leitung käme ganz weg. «Mir ist aber klar, dass das nicht möglich ist.» Aber er sei überzeugt, dass es Alternativen gäbe. «Ich denke zum Beispiel an eine Erdverlegung. Oder zumindest könnte man die Leitung Richtung Westen verschieben; für die Menschen, die momentan in der Nähe der Leitung wohnen und arbeiten.»

Der Bund entscheidet

Eine Verschiebung der Leitung sieht Swissgrid gemäss Projektbeschrieb allerdings nicht vor, die ursprüngliche Leitungsführung soll nicht verändert werden. Swissgrid-Sprecher Jan Schenk verweist auf den Bund: «Wir haben das Projekt für die dauerhafte Spannungserhöhung bereits 2015 eingereicht. Die Gemeinde Leukerbad und die anderen Gemeinden haben ihre Wünsche geäussert. Nun ist es Sache des Bundes, zu entscheiden, wie die Leitung gebaut wird.»

Unterwerk Bickingen, Swissgrid Logo
Legende: Die Unterwerke Bickigen und Chippis werden durch die Gemmileitung verbunden. Auf dem Trassee befinden sich 297 Masten. SRF/Matthias Baumer

Was das aktuelle Knistern und Brummen über Leukerbad betrifft: Es dürfte – zumindest vorerst – bald verstummen. Denn die Möglichkeit, die Spannung der Gemmileitung bei Engpässen zu erhöhen, besteht laut Beschluss des Bundesrates noch bis Ende April.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 24.01.2023, 17:31 Uhr ; 

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