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Entlastung der AHV Kürzung der Hinterlassenenrenten steht zur Debatte

FDP-Ständerat Damian Müller ist überzeugt, dass die Senkung der Witwenrente in der geplanten Form nicht mehr mehrheitsfähig ist, nachdem sich das Bundesamt für Sozialversicherungen bei der AHV um Milliarden verrechnet hat.

Seine Stimme hat Gewicht: Ständerat Damian Müller ist Präsident der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit. Dass er den Bundesrat auffordert, bei den Hinterlassenenrenten noch einmal über die Bücher zu gehen, überrascht. Denn Müller ist in der FDP – der Partei der Finanzministerin.

Ein Ziel der Reform ist die Entlastung des Bundeshaushalts und der AHV. Es geht um Einsparungen von mehreren hundert Millionen Franken. «Nach dem Zahlensalat bei der AHV, den das Bundesamt für Sozialversicherungen angerichtet hat, muss der Bundesrat jetzt klar darlegen, ob es überhaupt Handlungsbedarf gibt bei den Witwenrenten», sagt Müller gegenüber SRF.

Es geht um Gleichberechtigung

Bei der Revision der Hinterlassenenrenten geht es nicht nur um Einsparungen, sondern in erster Linie um Gleichberechtigung. Auslöser ist der Appenzeller Max Beeler. Nach dem Unfalltod seiner Frau sorgte er allein für seine Kinder. Dass er ab dem 18. Geburtstag seines jüngsten Kindes keine Witwerrente mehr erhielt, während eine Frau in derselben Situation lebenslang eine Witwenrente bezogen hätte, empfand er als ungerecht.

Beeler klagte und erhielt recht. Der Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beurteilte 2022 die Schweizer Praxis als diskriminierend. Seither gilt eine Übergangsregelung, welche die Geschlechter gleichstellt.

Reform wird zum heissen Eisen

Letzten Herbst präsentierte der Bundesrat die Eckdaten einer Revision der Hinterlassenenrenten. Wichtigste Änderung: Sowohl Witwen als auch Witwer sollen in Zukunft eine Rente erhalten, bis das jüngste Kind 25 Jahre alt ist. Damit wären zwar beide Geschlechter gleichgestellt. Allerdings würden Witwen im Vergleich zur ursprünglichen Regelung deutlich schlechtergestellt. Die geplante Reform ist darum ein heisses Eisen.

Eine Frau schiebt einen Kinderwagen auf einem Weg mit ländlicher Kulisse.
Legende: Witwen wie auch Witwer sollen in Zukunft eine Rente erhalten, bis das jüngste Kind 25 Jahre alt ist. KEYSTONE / Gaetan Bally

Nachdem sich gezeigt hat, dass die AHV finanziell besser dasteht als bisher angenommen, zweifelt FDP-Ständerat Damian Müller an der Mehrheitsfähigkeit dieser Reform im Parlament. Und das nicht wegen des Gleichstellungsaspektes: «So wie die Vorlage des Bundesrats daherkommt, wird sie als Abbauvorlage wahrgenommen und es schwer haben, Mehrheiten zu finden.» Der Bundesrat wäre gut beraten, noch einmal genauer hinzuschauen, findet Müller, «ansonsten wird das Parlament korrigieren».

Schwenkt das Parlament ein?

Auf der Linken rennt Müller damit offene Türen ein. Barbara Gysi (SP/SG), Präsidentin der Sozialkommission des Nationalrats, fordert: «Der Bundesrat muss unbedingt die Kürzungen bei den Witwenrenten überdenken und vor allem Frauen, die Kinder grossgezogen haben, besser stellen als er es bisher wollte.»

Wenn man sich im Parlament umhört, ist Damian Müller im bürgerlichen Lager vorerst eine Einzelstimme. Verschiedene Politikerinnen und Politiker der Mitte, FDP und SVP, mit denen SRF gesprochen hat, wollen bei den Hinterlassenenrenten auf Kurs bleiben. SVP-Nationalrätin Diana Gutjahr sagt, auch wenn die Zahlen bei der AHV etwas besser seien als gedacht, würden die strukturellen Probleme bleiben: «Es ist nicht angezeigt, jetzt grosszügiger zu werden.»

Im Herbst wird erwartet, dass der Bundesrat die Revision der Hinterlassenenrenten dem Parlament vorlegt. Man darf gespannt sein, ob die Warnung von Damian Müller den Bundesrat zu einer Kursänderung bewegt.

Tagesschau, 17.08.2024, 19:30 Uhr

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