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Entlastung für Rettungsdienst Notfalleinsätze ohne Ambulanz – in Zürich klappt dies

Ein neuer Job im Rettungswesen scheint sich zu bewähren. Statt im Team arbeiten extra geschulte Rettungssanitäter solo.

Eine Seniorin kämpft mit Schwindelgefühlen. Während Stunden verbessert sich ihre Situation nicht. Die ältere Dame benötigt Hilfe und wählt die Notrufnummer 144. In solchen Fällen waren bei Schutz und Rettung Zürich früher immer zwei Sanitäter im Einsatz, mit einem grossen Rettungswagen.

Dank eines neuen Berufes ist dies nicht mehr immer nötig. Seit einem Jahr rücken sogenannte präklinische Fachspezialistinnen aus. Sie sind allein in einem kleinen Fahrzeug unterwegs und kümmern sich um jene Notfälle, in denen es nicht um Leben und Tod geht.

Blutdruckmessung
Legende: Seit April 2024 rücken erste präklinische Fachspezialistinnen in Zürich allein aus. (Symbolbild) KEYSTONE / DPA / Marijan Murat

Die speziell ausgebildeten Rettungskräfte sind eine Neuheit im Schweizer Rettungswesen. Sie behandeln wie im fiktiven Beispiel Patientinnen mit Schwindel, Fieber oder Durchfall. «Klassisch sind auch Blutdruckprobleme oder beispielsweise Rückenschmerzen», sagt Projektleiterin Flavia Bütler.

Meldet sich jemand mit solchen Symptomen bei der Notrufnummer 144, findet eine Triage statt. Die Einsatzzentrale prüft mit einem Fragenkatalog, ob eine präklinische Fachspezialistin geeignet wäre.

Manchmal ist doch eine Hospitalisation nötig

Drei Personen arbeiten bei Schutz und Rettung Zürich im neuen Job, vier weitere machen die Ausbildung dazu. Das Ziel ist, dass die neue Funktion den Rettungsdienst entlastet. Denn die Belastung ist gross: Über 41'000 Sanitätseinsätze leistete Schutz und Rettung Zürich 2024. Die Zahlen waren in den letzten Jahren konstant hoch.

Bei jedem Einsatz wird ein Rettungswagen für einen anderen Notfall zurückgehalten.
Autor: Flavia Bütler Abteilungsleiterin Bildung Sanität bei Schutz und Rettung Zürich

Im ersten Jahr des Pilotprojektes zeigten sich laut Bütler schon Erfolge: «Bei den Einsätzen werden Rettungswagen für andere Notfälle zurückgehalten.» Wie gross die Entlastung im Endeffekt sei, könne sie jedoch erst später sagen – wenn mehr präklinische Fachspezialistinnen verfügbar seien.

Eine präklinische Fachspezialistin
Legende: Wie Schutz und Rettung testen auch andere Zürcher Ambulanzen den neuen Beruf. Weitere Rettungsdienste verfolgen das Projekt mit grossem Interesse. SRF / Elisabetta Antonelli

Die präklinischen Fachspezialisten sind diplomierte Rettungssanitäter mit einer fast zweijährigen Zusatzausbildung. Bei ihren Einsätzen untersuchen sie Patientinnen und Patienten fast wie Hausärzte. Welche Hilfe jemand benötigt, schätzen sie selbst ein.

Wie wird man präklinische Fachspezialistin?

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Die schon ausgebildeten Rettungssanitäterinnen absolvieren eine Weiterbildung an der Zürcher Fachhochschule für Angewandte Wissenschaften. Dazu kommen Praktika, zum Beispiel auf einer Notfallstation oder in einer Hausarztpraxis.

In einem Drittel der Fälle ist schliesslich doch eine Hospitalisation nötig. Dies sei jedoch kein Problem, sagt Projektleiterin Flavia Bütler. Die Mitarbeiterinnen verabreichten ihrem kranken Gegenüber die nötigen Medikamente oder Infusionen. «Danach braucht es nur noch einen Rettungswagen für den Spitaltransport.»

Schweizer Rettungsdienste horchen auf

Noch testet Schutz und Rettung Zürich das neue Berufsbild. Rettung St. Gallen führt ebenfalls einen ähnlichen Pilotversuch durch.

Auch in anderen Regionen interessiert der Job für weniger heikle Einsätze: Die kantonale Walliser Rettungsorganisation möchte das System einführen, wie der «Walliser Bote» kürzlich berichtete. Und der Rettungsdienst der Spitäler Schaffhausen wartet gespannt auf die Ergebnisse aus Zürich.

In der Einsatzzentrale der Rettungsorganiation 144
Legende: Die kantonale Walliser Rettungsorganisation hätte auch gerne präklinische Fachspezialisten im Einsatz. (Symbolbild) KEYSTONE / Jean-Christophe Bott

Da es sich um einen völlig neuen Beruf handelt, waren in Zürich anfangs Justierungen nötig. Die Mitarbeiter der Einsatzzentrale haben zum Beispiel ihre Fragen überarbeitet, die sie kranken Patienten bei einem Notruf stellen. Und die präklinischen Fachspezialistinnen mussten ihre Ausrüstung anpassen.

Solche Prozesse will Schutz und Rettung Zürich nun weiter verfeinern: «Wir machen laufend Anpassungen», sagt Flavia Bütler. Der Pilotversuch läuft bis Ende 2026. Danach, so hofft die Projektleiterin, sollen genügend «Rettungssanitäter plus» ausgebildet sein. Und bei leichten Notfällen rund um die Uhr ausrücken können.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 29.4.2025, 12:03 Uhr ; 

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