Über die neuen Verträge zwischen der Schweiz und der EU soll nur das Volksmehr entscheiden – ein Ständemehr brauche es nicht, findet der Bundesrat. Er spricht sich also für ein fakultatives Referendum aus.
Bei einem obligatorischen Referendum bräuchte es für eine Zustimmung ein doppeltes Ja von Volk und Ständen. Ein solches hatten insbesondere Gegnerinnen und Gegner des neuen Vertragspakets gefordert. Die Hürde für ein Ja zu den Verträgen wäre dann nämlich weit höher. Über die Abstimmungsmodalitäten entscheidet letztlich das Parlament.
Wut bei der SVP
Bei den Parteien fallen die Reaktionen auf den Entscheid unterschiedlich aus. Kritik kommt heute von rechten Politikerinnen und Politikern – allen voran aus der SVP. Gegenüber SRF zeigt sich SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi «schockiert» über den Entscheid des Bundesrats.
Das Vertragswerk stehe gemäss mehreren Urteilen des Bundesgerichts über der Schweizer Verfassung. «Es ist nicht nachvollziehbar, dass es hier kein obligatorisches Referendum geben soll», kritisiert Aeschi. «Es schürt die Wut im Volk, wenn man versucht, es auszutricksen. Es wird an der Urne entschieden Nein sagen.»
SP begrüsst Entscheid
SP-Präsident Cédric Wermuth nimmt den Entscheid des Bundesrats «relativ emotionslos zur Kenntnis», wie er gegenüber SRF sagt. «Mit diesem Entscheid haben wir gerechnet. Die Verfassung ist hier unseres Erachtens eindeutig. Es ist die einzig richtige und die einzig demokratische Antwort.» Diesen Standpunkt werde die SP auch im Parlament vertreten.
Das Volksmehr garantiere, dass jede Stimme gleich viel Gewicht habe, so der SP-Nationalrat – und weil die EU-Verträge alle gleichermassen betreffen würden, sei es auch gerechtfertigt, den Entscheid ausschliesslich auf das Volksmehr abzustützen. «Die Chancen für einen fairen Abstimmungskampf steigen dadurch.»
Für GLP hält Bundesrat Kurs, FDP wartet ab
Für die Grünliberale Partei schreibt Fraktionspräsidentin und Nationalrätin Corina Gredig (ZH) auf X, der Bundesrat halte Kurs, und das sei richtig. Das fakultative Referendum wahre die Linie der bisherigen Europapolitik. Ein sachlicher Entscheid im Interesse von Sicherheit, Wohlstand und Verlässlichkeit sei gefragt.
FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt spricht gegenüber SRF von einem erwartbaren Entscheid der Landesregierung. «Sobald die Botschaft des Bundesrats vorliegt, werden wir uns dazu positionieren.» Bei der Frage, ob Ständemehr oder nicht, wirkten auch politische und nicht nur verfassungsrechtliche Erwägungen hinein.
Letztlich müsse das Vertragspaket so gut sein, dass man eine respektable Mehrheit in der Bevölkerung davon überzeugen könne, so der Zürcher FDP-Mann. «Je nach dem, wie das Abkommen aussehen wird, kann es sein, dass der Entscheid der FDP anders als derjenige des Bundesrats ausfallen wird.»
Referendum gilt als gesichert
Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (BL) hält auf X fest, die Landesregierung setze auf Kontinuität und Kohärenz. Zudem bleibe der Spielraum für Parlament und Kantone erhalten.
Das neue EU-Vertragspaket soll in vier Vorlagen aufgeteilt werden. Gegen jede Vorlage kann einzeln das Referendum ergriffen werden. Das heisst, es müssen je 50'000 Unterschriften gesammelt werden, damit es zu einer Volksabstimmung kommt. Dies gilt allerdings als sicher.