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Erfinder der Kultfigur Im Schatten von Jörg Schneider: Der vergessene Vater von Kasperli

Der Zürcher Adalbert Klingler erfand den Schweizer Kasperli – seine Enkelin holt ihn nun aus der Fussnote.

Mit «Tra-tra-trallala» oder «Potz Holzöpfel und Zipfelchappe» wurde Kasperli berühmt. Mit ihren Hörspiel-Schallplatten und -Kassetten prägten Jörg Schneider, Paul Bühlmann und Ines Torelli ab Mitte der 1960er-Jahre Generationen von Schweizer Kindern.

Was viele heute nicht mehr wissen: Der eigentliche Erfinder des Schweizer Kasperli war Adalbert Klingler. Der Zürcher gehörte vor 80 Jahren zu den ersten professionellen Puppenspielern des Landes. Mit seinen langjährigen Auftritten im «Park im Grüene» in Rüschlikon verlieh er der Figur des Kasperli jene Gestalt und Popularität, wie wir sie heute kennen.

Adalbert Klinger beim Puppenspiel
Legende: «Hopsasa-Tirullala, de Chasperli isch wieder da!» ertönte es jeweils zu Beginn der Vorstellung von Adalbert Klingler. Die Kinder im Publikum haben jeweils lauthals mitgesungen. Friedrich Reinhardt Verlag

Regula Klingler, die Enkeltochter des Kasperli-Erfinders lächelt, wenn sie über ihren Grossvater spricht. Ihre frühesten Erinnerungen an ihn sind eng mit Kasperli verbunden – denn in ihren ersten fünf Lebensjahren war sie oft dabei, wenn Adalbert Klingler im «Park im Grüene» in Rüschlikon sein Kasperlitheater aufführte.

«Das Kasperlitheater war meine Heimat und die Figuren meine Geschwister», erzählt Regula Klingler. Die ganze Familie habe hinter den Kulissen mitgewirkt. Ihre Grossmutter habe die Figuren und Requisiten bereitgelegt, ihre Mutter sei für die Geräusche zuständig gewesen. Das Spielen der Figuren war aber dem Grossvater vorbehalten.

Regula Klingler mit Buch in der Hand
Legende: Die 65-jährige Regula Klingler hat ein Buch über das Wirken ihres Grossvaters geschrieben. SRF/Christoph Brunner

Adalbert Klingler wuchs als Sohn eines Schneidermeisters im Zürcher Langstrassenquartier auf. Schon früh faszinierte ihn das Figurentheater, ausgelöst durch ein prägendes Erlebnis als Fünfjähriger, als er in einem Wirtshaus in der Nachbarschaft die Aufführung eines Puppenspielers aus Bergamo sah. Der Moment ging ihm durch Mark und Bein. «Es hat mir den Ärmel reingezogen. Es hat mir mehr bedeutet, als alles, was rund um mich herum lebt», beschrieb Adalbert Klingler diese Erfahrung 1960 in einer Tonaufnahme.

Erster festangestellter Puppenspieler der Schweiz

Ab diesem Zeitpunkt war der Sohn eines Schneiders nicht mehr von der Welt der Figuren loszukriegen. Zuhause beim Treppenputzen erfand er Kasperli-Geschichten, die er laut im Treppenhaus vortrug.

Schweizweite Bekanntheit erlangte Adalbert Klingler als «Landi-Chasper» an der grossen Landesausstellung 1939 in Zürich. Ein halbes Jahr lang spielte er dort rund 550 Vorstellungen vor mehr als 70'000 Kindern.

Adalbert Klingler und Kasperli
Legende: 18 Jahre lang war Adalbert Klingler im «Park im Grüene» als Kasperli im Einsatz. Dann musste er aus gesundheitlichen Gründen aufhören. ZVG Friedrich Reinhardt Verlag

Mit 46 folgte das Engagement der Migros: Für ein regelmässiges Kasperlitheater im «Park im Grüene» in Rüschlikon. Damit wurde Adalbert Klingler zum ersten festangestellten Puppenspieler der Schweiz. Nach all den Jahren konnte er seinen Versicherungsjob endgültig an den Nagel hängen.

«Mit 50 konnte er endlich davon leben, wofür er immer gekämpft hat», sagt Enkelin Regula Klingler. 18 Jahre lang führte Adalbert Klingler seine Kasperli-Stücke im «Park im Grüene» auf – bis er aus gesundheitlichen Gründen aufhören musste.

Raus aus der Fussnote

Figuren, Kulissen und sämtliche Stücke übergab er seinem Nachfolger: Jörg Schneider, der das Kasperlitheater wenig später als Hörspiel zu einem Grosserfolg machte.

Jörg Schneider und Ines Torelli
Legende: Jörg Schneider (ganz links) und Ines Torelli (direkt neben ihm) wurden 1982, zusammen mit zwei weiteren Sprechern, für eine Million verkaufte Platten und Kassetten geehrt. Keystone

Regula Klingler bedauert, dass die Verdienste ihres Grossvaters durch diese Erfolgsgeschichte in den Hintergrund gerückt und zur Fussnote geworden sind. Deshalb hat sie sich in den letzten Jahren dafür eingesetzt, dass es heute etwa einen Wikipedia-Eintrag zu Adalbert Klingler gibt.

Und nun setzt sie ihm, 50 Jahre nach seinem Tod, mit ihrem Buch ein Denkmal. «Ich möchte ihn aus der Fussnote rausholen. Das habe ich mir auf die Fahne geschrieben.»


Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 12.8.2025, 12:03 Uhr ; 

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