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Ernährungssouveränität «Angstkampagne sorgte für deutliches Nein»

Die Kampagne, wonach Produkte teurer und die Vielfalt kleiner würden, hätten einen massiven Meinungsumschwung ausgelöst.

Das Komitee der Volksinitiative für Ernährungssouveränität führt das klare Abstimmungsresultat auf die «Angstkampagne» und die mediale Aufbereitung der Vorlage zurück. Dadurch sei die ursprünglich grosse Zustimmung für dieses «zeitgemässe» Anliegen massiv eingebrochen.

«Wir sind natürlich nicht zufrieden mit dem Resultat», sagt Mathias Stalder vom Ja-Komitee. Das Komitee habe mit der Initiative nichts Unmögliches gefordert.

Gewisse Forderungen bereits verankert

Die Gegner hätten aber mit ihrer «Angstkampagne», wonach die Produkte teurer und die Vielfalt kleiner würden, einen massiven Meinungsumschwung ausgelöst. Die Argumente seien aber nicht wahr: «Man hätte am Zoll nicht jede Tomate umdrehen müssen», sagte er. Die Produkte wären nicht teurer geworden, und auch einen grossen Kontrollapparat hätte nicht aufgebaut werden müssen.

«In der EU gibt es bereits Kontrollmechanismen», erläutert Stalder. Die Schweiz habe diese aber seit 2006 nicht genutzt. Zudem seien einige Forderungen bereits im Lebensmittelgesetz verankert. Darauf hatten die Initianten mit der Vorlage aufmerksam machen wollen.

Die Gegner hätten zudem beispielsweise mit grossen Detailhändlern glaubwürdige Institutionen auf ihrer Seite gehabt. Und dass die Bauern nicht geschlossen hinter der Vorlage standen, führt Mathias Stalder auf den Einfluss der SVP «als gewichtigen Player» zurück. Die SVP lehnte die Vorlage ab. «Ich habe nie verstanden, dass einige Bauern nicht für mehr Lohn einstehen wollten», sagt Stalder weiter. «Sie schneiden sich ins eigene Fleisch.»

«Probleme bestehen weiter»

Ruedi Berli von der Westschweizer Bauerngewerkschaft Uniterre, die unter anderen hinter der Initiative für Ernährungssouveränität steht, erklärt: «Wir haben mit der Debatte einen Pflock eingeschlagen, aber die Probleme bestehen weiter. Die bäuerliche Landwirtschaft in der Schweiz steht unter Druck und wird weiter zerstört. Die Einkommen sind schlecht.»

Nötig sei aber ein nachhaltiges Lebensmittelsystem, denn die industrielle Landwirtschaft führe in die Sackgasse. Uniterre werde sich weiter für konstruktive Lösungen für ein nachhaltiges Ernährungssystem einsetzen, in dem auch die Schweizer Bauernfamilien eine Zukunft hätten, betont Berli.

Nationalrat (BDP/GR) Duri Campell hat gegen die Vorlage gekämpft, obwohl er als Bauer selbst hätte profitieren können. Entsprechend zufrieden ist er mit dem Resultat. «Der Schatten wäre grösser gewesen als die Sonnenseite.» Die Initiative hätte die Landwirtschaft gemäss Campell um 50 bis 60 Jahre zurückgeworfen. «Wir haben einen neuen Weg eingeschlagen und müssen diesen weitergehen.»

Nur Initiativen mit klarem Auftrag

Die Bauern würden bereits heute für den regionalen Verkauf eintreten und die Konsumenten verlangten dies auch. «Wir müssen noch dazulernen, gute Produkte zu einem guten Preis zu verkaufen», so Campell. Zudem wäre der Produktionsaufwand mit der Annahme der Initiative viel grösser geworden, was die Produkte massiv verteuert hätte. «Initiativen, die keinen klaren Auftrag haben, haben immer mehr Mühe und sollten auch keine Chance haben.»

Die Schweizer Wirtschaft freut sich über doppelte Nein gegen die Agrar-Initiativen. Die Bevölkerung habe sich damit gegen «Protektionismus», «noch mehr Isolationismus in der Landwirtschaft» und eine «wachsende Bevormundung» ausgesprochen.

Zurecht Schiffbruch erlitten

Das zweifache Nein sei eine Absage an «Abschottung und an eine dirigistische, rückwärtsgewandte Agrarpolitik», urteilt der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse in einer Mitteilung.

Der Schweizerische Gewerbeverband ist insbesondere mit Blick auf das grenznahe Gewerbe «sehr erfreut» über den Ausgang der Abstimmung, wie er schriftlich mitteilte. Bereits heute würde ein Drittel der Konsumentinnen und Konsumenten im Ausland einkaufen. Mit Annahme der Initiative wären diese Betriebe nahe der Grenze einmal mehr betroffen gewesen.

Auch Handel Schweiz ist erfreut über die «glasklaren Voten». Die beiden Initiativen hätten «zurecht Schiffbruch» erlitten, schreibt die Organisation in einer Mitteilung. Dank des Entscheids bleibe der Schweiz «noch mehr Gängelung, Bevormundung und Abschottung» erspart.

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