Die Schweiz hat in diesem Jahr mit dem Eurovision Song Contest in Basel und mit der Fussball-Europameisterschaft der Frauen erfolgreich zwei internationale Grossanlässe ausgetragen. Kann der Tourismus davon profitieren? Antworten hat Tourismus-Professor Jürg Stettler.
SRF News: Verändern die beiden Anlässe das Bild der Schweiz im Ausland? Kommen künftig andere Feriengäste zu uns?
Jürg Stettler: Der ESC und die Frauen-Fussball-EM haben das Image der Schweiz nicht grundsätzlich verändert. Im Kern ist das Image der Schweiz stabil.
Wieso können zwei Grossanlässe das Image eines Landes, einer Tourismusdestination nicht ändern?
Das Image ist das Ergebnis von vielfältigen Einflussfaktoren über eine sehr lange Zeit. Und ein oder zwei internationale Grossevents haben darauf nur punktuell einen Einfluss. Sicher aber haben Besucherinnen und Besucher des ESC und der EM einen etwas anderen Eindruck von der Schweiz erhalten als jemand, der die Anlässe nur am TV mitverfolgt hat. Man muss also differenzieren, bei welchen Personen allfällige Auswirkungen zu verzeichnen sind.
Nach der Fussball-WM in Deutschland 2006 hat sich das Image des Landes nachweislich positiv verändert. Warum sollte das der Schweiz nicht auch gelingen?
Die Anlässe in Deutschland und der Schweiz lassen sich schlecht vergleichen: Sie sprechen ein unterschiedliches Zielpublikum an, und die Dimension ist auch kaum vergleichbar. Eine Fussball-WM der Männer ist eine andere Grössenordnung als die beiden Events in der Schweiz – so gross sie auch sind in Relation zur Grösse des Landes. Ein wesentlicher Unterschied ist zudem, dass man für die WM in Deutschland mehrere Jahre Vorbereitungszeit hatte, um Schwerpunkte zu setzen. Das war bei den beiden Grossanlässen in der Schweiz nicht der Fall.
Für eine langfristige Wirkung braucht es nach einem Grossanlass auch Folgemassnahmen.
Grossanlässe können also nur etwas bewirken, wenn sie längerfristig angelegt sind?
Ja. Man muss sie langfristig planen können und entsprechend flankierende Massnahmen treffen. Für eine langfristige Wirkung braucht es zudem Folgemassnahmen im Anschluss an einen Grossanlass. Auch bei Deutschland hat sich gezeigt: Es fand eine Imageveränderung statt – aber diese ist über die Zeit abgeflacht und wieder verloren gegangen.
Die ESC-Popkultur kann Teil des zukünftigen Angebots von Basel werden.
Was muss die Schweiz jetzt tun, um vom erarbeiteten Image einer offenen, toleranten und sozialen Destination zu profitieren?
Es braucht weitere Veranstaltungen in dieser Art. Dabei hat Basel wohl die beste Ausgangslage, weil es an beiden Anlässen beteiligt war und so ein Fundament hat legen können. Basel kann den ESC künftig in ihre Angebotsentwicklung einfliessen lassen; diese ESC-Popkultur kann Teil des zukünftigen Angebots von Basel werden. Das würde sich dann auch mittel- und längerfristig auf die Positionierung der Stadt auswirken.
Will und soll die Schweiz überhaupt ein Tourismus-Image als Ort der Offenheit und Inklusion haben? Oder ist jenes des Landes von Schokolade, Kühen und Käse doch gewinnbringender?
Die Grundpfeiler der Schweizer Positionierung bleiben ja bestehen. Die ändern sich nicht. Aber die beiden Events können durchaus einen wertvollen Beitrag zur zukünftigen Weiterentwicklung des Images der Schweiz leisten. Insbesondere auch, weil der ESC – obwohl im Vorfeld viel Kritik laut wurde – sehr positiv durchgeführt wurde und keinerlei negative Randerscheinungen festzustellen waren.
Das Gespräch führte Yves Kilchör.