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EU-Waffenrichtlinie «Bürger machen Güterabwägung und werden richtig entscheiden»

Das Schweizer Waffenrecht soll an die EU-Waffenrichtlinie angepasst und verschärft werden. Widerstand leisten an vorderster Front die Schweizer Schützen. Sie sehen die Schweizer Tradition und die Freiheit gefährdet. Bundesrätin Karin Keller-Sutter versucht im Interview die Bedenken zu zerstreuen.

SRF: Die Kritiker sagen, das Gesetz bringe viel mehr administrativen Aufwand. Es bedeute vor allem mehr Bürokratie und nicht unbedingt mehr Sicherheit.

Karin Keller-Sutter: Ich sehe das nicht so. Ich glaube, der Aufwand, den man da betreiben muss, ist vertretbar. Es ist ja so, dass sich für die Armeeangehörigen nichts verändert. Wer eine Ordonnanzwaffe übernimmt, für den ändert sich nichts; für den, der schon eine hat, ändert sich nichts und für die Jäger ändert sich ebenfalls nichts.

Es ist so, dass die Schützen in der Tat nachweisen müssen, dass sie entweder in einem Verein sind oder dass sie regelmässig schiessen – also innerhalb von fünf Jahren fünfmal. Ich verstehe, dass das einen stören kann. Ich hätte das von mir aus auch nicht gebracht. Aber wir sind Mitglied von Schengen/Dublin. Und wenn wir da dabeibleiben wollen, müssen wir die Anpassungen machen.

Ihnen geht es vor allem darum, dass wir bei Schengen-Dublin dabeibleiben können und nicht unbedingt um einen besseren Schutz vor Waffengewalt?

Das Gesetz bringt schon auch gewisse Verbesserungen. Zum Beispiel müssen alle Waffenbestandteile markiert werden. Das hilft eine Waffe zurückzuverfolgen bei einem Delikt. Bei der Verbrechensaufklärung weiss man also wo die verschiedenen Teile herkommen.

Wir müssen die Traditionen in der Schweiz hochhalten.

Es wird auch einen Informationsaustausch geben unter den Ländern, die daran beteiligt sind. Wenn jemand beispielsweise in Deutschland keine Waffe erwerben darf, wissen wir das auch in der Schweiz. Wenn sich ein Deutscher in der Schweiz niederlässt, wissen wir, dass er keine Waffe erwerben darf, und er auch in der Schweiz keinen Waffenerwerbschein erhält.

Schiessen fasziniert viele. Das wissen Sie als ehemalige Pistolenschützin selber bestens. Schiessen hat eine lange Tradition, steht für Freiheit. Für die Gegner ist klar: da setzen sie die Freiheit der Schweiz aufs Spiel.

Nein. Das sehe ich nicht so. Ich bin sehr den Traditionen verpflichtet, nicht nur beim Schiessen sondern auch sonst. Wir müssen die Traditionen in der Schweiz hochhalten. Ich kämpfe auch immer für diese.

Die Anpassungen, die man jetzt im Schweizer Recht macht, sind geringfügig.

Aber auf der anderen Seite muss man auch sehen: Die Anpassungen, die man jetzt im Schweizer Recht macht, sind geringfügig.

Aber aus Sicht der Schützen gibt man die Kontrolle aus der Hand – in einem Bereich wo die Schweiz immer selbstbestimmt gewesen ist. Die EU diktiert und die Schweiz muss folgen.

Nein. Die Schweiz hat 2005 Ja gesagt zum Schengen-Abkommen und damit haben wir uns auch verpflichtet, dass man – wenn es Anpassungen innerhalb vom Schengen-Recht gibt – diese übernimmt. Unser Parlament konnte aber bei diesen Anpassungen mitreden und hat sogar noch Erleichterungen eingebracht, die ich begrüsse. So kann man nicht einfach sagen, es wird von Aussen diktiert.

Die Schützen befürchten, dass dies erst der Anfang ist und die Waffen am Schluss ganz verboten werden.

Nein. Wir stimmen ja über das ab, was wir jetzt haben. Man kann davon ausgehen, dass weder der Bundesrat noch das Parlament einverstanden wären mit Verschärfungen, die wirklich gegen den Kern unserer Freiheit, unserer Miliztradition, der Armee – mit der Ordonnanzwaffe beispielsweise – gehen. Das wäre bei uns nicht mehrheitsfähig. Was wir jetzt präsentieren, ist im guten Treuen machbar. Das ist ja von einem Schützen auch gesagt worden.

Die Bürger werden eine Güterabwägung machen zwischen diesen Änderungen und dem Verbleib bei Schengen-Dublin.

Über die Zukunft und Ängste in der Zukunft abzustimmen, empfiehlt sich hier nicht. Ich bin zuversichtlich, dass die Bürger und Bürgerinnen, wenn sie das Abstimmungsbüchlein lesen, eine Güterabwägung machen zwischen diesen Änderungen und dem Verbleib bei Schengen-Dublin, was eine wichtige Sicherheitszusammenarbeit für die Schweiz ist. Und, dass sie richtig entscheiden werden.

Sie sagten mal, Sie hätten den Eindruck, die EU sei nicht gerade in Kompromisslaune. Das gilt nicht nur beim Waffengesetz, sondern auch beim Rahmenabkommen. Sie selber sind da skeptisch. Heisst das, Sie sind gegen die Unterzeichnung?

Der Bundesrat führt jetzt Konsultationen durch, welche bis etwa Mitte April dauern. Dann muss man diese sorgfältig auswerten. Darauf wird der Bundesrat nach einer genauen Analyse der Ergebnisse Stellung nehmen. Ich glaube es wäre heute verfrüht, ich habe selber auch noch nicht alle Stellungnahmen gesehen.

Das Gespräch führte Andrea Vetsch.

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