Zum Inhalt springen

Ex-Medienministerin Leuthard überrascht mit Votum gegen UKW-Abschaltung

Die für 2023 geplante Einstellung der UKW-Radiosender kommt laut der früheren Uvek-Vorsteherin Doris Leuthard zu früh. Die Radiobranche zeigt sich erstaunt.

«Rettet UKW», heisst die online-Petition, mit der sich Radiopionier Roger Schawinski gegen die geplante Abstellung aller UKW-Sender der Schweiz wehrt. 47'000 Personen haben die Petition schon unterschieben.

Schawinski gibt gegenüber SRF zu bedenken: «Es müssten mindestens zehn Millionen UKW-Empfänger als Elektroschrott entsorgt werden, und Konsumenten hätten Kosten von mehreren 100 Millionen. Absolut unnötig, ohne dass sie davon einen Nutzen erzielen würden.»

Frühere Uvek-Chefin Leuthard rät zu Marschhalt

Nun stellt sich überraschend auch Alt Bundesrätin Doris Leuthard an Schawinskis Seite, die den UKW-Entscheid damals gefällt hat. Die frühere Chefin des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) erklärte auf Radio 1, dass erst die Hälfte der Fahrzeuge in der Schweiz mit DAB- oder Internetradio ausgerüstet seien. Eine Abschaltung der UKW-Radiosender für 2023 komme zu früh.

Im Interview mit Roger Schawinski sagte Leuthard, sie habe damals gedacht, dass es sich bei UKW um ein Auslaufmodell handle. Sie habe damit gerechnet, dass sich auch in den Autos in der Schweiz neuere Technologien wie DAB+ oder Internet schneller etablieren würden.

Autoradio
Legende: Noch immer sind über die Hälfte aller Autos in der Schweiz mit UKW-Radios ausgerüstet. Das bedeutet: Ohne Umrüsten können sie bald kein Radio über Antenne mehr empfangen. Colourbox

Bei einer zu schnellen Abschaltung der UKW-Frequenzen würde die Hälfte der Autos in der Schweiz den Radio-Empfang verlieren, weil bei ihnen immer noch ein UKW-Radio eingebaut sei, sagte Leuthard weiter.

Wir müssen früher oder später von UKW auf DAB+ umsteigen.
Autor: Robert Ruckstuhl Programmleiter Radio SRF

Die Radiobranche reagiert erstaunt, denn sie hat den Ausstiegszeitpunkt eigentlich schon länger gemeinsam definiert. Die SRG will ihre UKW-Sender im August 2022 abschalten. Bei den privaten Radiobetreibern soll mit den UKW-Frequenzen bis spätestens im Januar 2023 Schluss ein.

Robert Ruckstuhl, Programmleiter Radio SRF, sagt: «Wir müssen früher oder später von UKW auf DAB+ umsteigen. Einerseits bietet DAB+ sehr grosse Vorteile. Es gibt mehr Sender, auch die Qualität ist besser. Andererseits gibt es immer weniger Menschen, die Radio via UKW hören. Die Frage ist nur der Zeitpunkt.»

Vereinbarung von Privatradios

In Europa droht bei der UKW-Abschaltung ein Flickenteppich. In Grossbritannien ist sie für 2032 geplant. In Deutschland und weiteren Ländern gibt es noch kein fixes Abschaltdatum. «Es lohnt sich nicht, wenn die Schweiz einen Alleingang macht», sagte Leuthard im Interview weiter. «Die Autos müssen von Norddeutschland bis Süditalien mit Radioempfang fahren können.»

Das UVEK nahm von Leuthards Aussagen Kenntnis, wie es mitteilte. Der Entscheid zur UKW-Abschaltung sei ein Entscheid der Branche, die auch den Zeitpunkt festlege. Ob die Veranstalter nun die UKW- Funkkonzessionen auf den vereinbarten Zeitpunkt zurückgeben würden oder bis zum Ablauf Ende 2024 nutzten, werde zurzeit in der Branche diskutiert.

Immer weniger UKW-Hörer

Eine Erhebung vom Frühling 2020 ergab gemäss dem Marktforschungsinstitut GfK Switzerland, dass die digitale Radionutzung seit Herbst 2015 um 22 Prozentpunkte gestiegen ist. Radiohörerinnen und -hörer empfingen somit täglich 71 von 100 Radiominuten auf digitalem Weg. Gleichzeitig sank die UKW-Nutzung um 22 Prozentpunkte auf 29 Prozent. Nur noch 13 Prozent der Schweizer Bevölkerung hörten demnach im Juni 2020 ausschliesslich analoges UKW-Radio.

Tagesschau vom 03.06.2021, 19.30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel