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Fachkräftemangel Für Rettungssanitäter werden Schichten zunehmend länger

Die Rettungsdienste helfen sich untereinander aus. Aber für die Mitarbeitenden werden die Schichten zunehmend länger und intensiver.

Bei einem medizinischen Notfall muss es schnell gehen. Fehlt bei den Rettungsdiensten Personal, wird es deshalb rasch kritisch. SRF liegen Zahlen des Interverbandes für Rettungswesen vor, die in dieser Form erstmals erhoben wurden. Sie zeigen, dass schweizweit bei Rettungsdiensten aktuell Stellen im Umfang von 180 Vollzeit-Äquivalenten nicht besetzt werden können, Tendenz steigend. Das entspricht etwa sieben Prozent aller Stellen in der Branche.

Ausbildungsabschlüsse reichen nicht aus

Um alle Lücken zu schliessen, wären schweizweit rund 230 Rettungssanitäterinnen und -sanitäter nötig, sagt Roland Portmann. Er ist Mediensprecher beim Branchenverband Swiss Paramedic Association. «Das ist beachtlich, uns macht vor allem Sorgen, wie diese Entwicklung weitergehen wird.»

Besonders schwierig für die Branche ist, dass aktuell der Bedarf auch über Ausbildungen nicht gedeckt werden kann. In den vergangenen Jahren wurde die Zahl der Ausbildungsabschlüsse zwar gesteigert. Aber jährlich schliessen weniger Abgängerinnen und Abgänger ab, als die Branche aktuell über offene Stellen verfügt. 2022 waren es knapp 200.

Immer mehr Einsätze

Das Einsatzvolumen nimmt derweil laufend zu. Das hängt unter anderem mit der demografischen Entwicklung zusammen. Und auch mit teilweise fehlender medizinischer Grundversorgung. Mancherorts lassen sich kaum noch Hausarztpraxen finden, die noch Patientinnen und Patienten aufnehmen. Oder die Betroffenen kümmern sich gar nicht um einen Hausarzt.

Uns macht vor allem Sorgen, wie diese Entwicklung weitergehen wird.
Autor: Roland Portmann Mediensprecher Swiss Paramedic Association

Dazu kommt, dass heute öfter auch für Bagatellfälle der Notruf gewählt wird. Die Rettungsdienste reagieren darauf mit neuen Einsatzkonzepten. In Zürich etwa schicken sie nicht mehr in jedem Fall den Rettungswagen mit zwei Rettungssanitätern. Stattdessen rückt eine Rettungssanitäterin alleine aus und hilft vor Ort.

Weil die Anforderungen an Rettungssanitäterinnen und Rettungssanitäter hierzulande höher seien als anderswo, könne die Branche auch nicht einfach im Ausland rekrutieren, sagt Portmann. Für den Schritt über die Grenze seien aufwändige Zusatzqualifikationen nötig. Und aus Deutschland, das der Schweizer Ausbildung noch am ehesten nahekomme, seien die Bewerbungen zuletzt zurückgegangen.

Nicht alle Ambulanzen können besetzt werden

Wegen des Personalmangels können in den Rettungsdiensten längst nicht mehr alle eigentlich vorgesehenen Ambulanzen besetzt werden. Es kommt zu Ausfällen.

Portmann betont zwar, noch könne man sich untereinander aushelfen: «Niemand muss im Notfall länger auf einen Rettungswagen warten.» Im Zweifel würden Rettungsdienste in benachbarten Revieren aushelfen.

Die Belastung für die einzelnen Einsatzkräfte im Rettungsdienst nimmt zu.
Autor: Roland Portmann Mediensprecher Swiss Paramedic Association

«Aber man kann es nicht wegdiskutieren: Die Belastung für die einzelnen Einsatzkräfte im Rettungsdienst nimmt zu.» Die Schichten werden länger und intensiver. Und, wie andernorts in medizinischen Berufen auch, drohen die Menschen auszubrennen. Sie verlassen die Branche wieder oder nehmen eine Auszeit, was den Mangel noch vergrössert.

Die Branche hat ihre Bemühungen um den Nachwuchs zuletzt verstärkt, etwa mit Werbekampagnen. Aber wenn die Branche nicht selbst zum Notfall werden soll, müssen die Ausbildungszahlen weiter gesteigert und die Arbeitsbedingungen verbessert werden.

Heute Morgen, 22.03.2024, 06:00 Uhr

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