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Fachkräftemangel in der Pflege Volle Pflegeheime bringen Freiburger Spitäler an den Anschlag

Weil die Betten in den Freiburger Pflegeheimen besetzt sind, ist das Personal überlastet. Im Pflegeheim und im Spital.

Das Pflegeheim St. Martin in Tafers ist voll: Alle 49 Betten des Heims sind belegt. Freie Plätze gibt es keine. Gleichzeitig aber fehlen zunehmend Pflegerinnen und Pfleger. Die Sonderschichten während der Pandemie haben dem Personal viel abverlangt. «Das Personal, das noch da ist, ist überbelastet», so der Heimleiter Urs Kolly.

«Ich musste auch schon mit dem Personal schimpfen»

Die Krankheitsfälle und Absenzen beim Pflegepersonal in Tafers nehmen zu. «Aber niemand mag mehr einspringen», sagt Dorothea Oesch. Sie ist Pflegedienstleiterin des Heims. Eigentlich. Denn mittlerweile steht sie wieder regelmässig «am Bett», um die Löcher im Dienstplan zu stopfen. «Auch die Stationsleitungen springen ein. Aber die Frage ist, wie lange das noch gut geht.»

Die Überlastung des Personals bekommt auch Anton Leimgruber zu spüren. Der 90-Jährige lebt im Pflegeheim St. Martin. «Ich werde hier gut betreut, aber ich musste auch schon ein paar Mal schimpfen. Man merkt, dass es zu wenig Pflegepersonal hat.»

Ein Pfleger verarztet einen Heimbewohner.
Legende: Das Personal in den Pflegeheimen fehlt. Das stellt die Heimleitungen von grosse Probleme. Keystone / Christian Beutler

Das Pflegeheim St. Martin ist kein Einzelfall. Auch die anderen Pflegeheime in der Region sind überlastet. Das bestätigt Christine Meuwly. Sie koordiniert für das Gesundheitsnetz Sense die Verteilung der Pflegeheimplätzen im Sensebezirk. «Eine solch schwierige Situation wie jetzt habe ich noch nie erlebt.» Die Heime der Region versuchen, die Situation in den Griff zu bekommen. «Zum Beispiel, indem sie Pensionierte zurückholen oder Quereinsteiger rekrutieren.» Aber das ist nicht einfach. «Wegen der grossen Arbeitsbelastung fehlt die Zeit, das neue Personal einzuarbeiten. Oder ihnen auch die schönen Seiten des Berufes zu zeigen», so Christine Meuwly.

Auch Souhayla Saïdani ist auf der Suche nach Pflegepersonal, auch sie muss Löcher im Dienstplan stopfen. Allerdings nicht für das Pflegeheim, sondern für das Freiburger Spital HFR. Denn die vollen Pflegeheime im Sensebezirk wirken sich auch auf das Spital HFR aus. Rund 30 Patientinnen und Patienten warten im Spital auf ein freies Bett in einem Pflegeheim. Das belastet die sowieso schon angespannte Personalsituation im HFR noch zusätzlich.

«Das Fehlerrisiko steigt»

Souhayla Saïdani muss jeden Tag Verstärkung suchen. Die Pflegedienstleiterin der Abteilung für innere Medizin geht die Liste der Mitarbeitenden durch, schüttelt immer wieder den Kopf und zeigt dann auf einen Namen: «Das ist eventuell eine Möglichkeit, aber auch diese Mitarbeiterin hat schon 54 Überstunden.»

Die Absenzquote auf der Abteilung liege derzeit bei zehn Prozent. «Durch die Abwesenheiten muss der Plan jeden Tag neu angepasst werden. Es fehlen immer Leute. Das vermindert die Qualität der Pflege, das Fehlerrisiko steigt», so Souhayla Saïdani.

Die angespannte Personalsituation ist indes auch für die Spitalleitung eine grosse Herausforderung. Betten zu schliessen, wie es bereits einige Spitäler getan haben, kommt aber für Marc Devaud, Generaldirektor des HFR, nicht infrage. «Wo sollen die Leute dann hin?», fragt er. Denn klar ist: In den Freiburger Pflegeheimen gibt es bis momentan keinen Platz für sie.

Schweiz aktuell, 16.09.2022, 19:00 Uhr ; 

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