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Fall Hefenhofen Staatsanwalt spricht von Tierquälerei und illegalem Fleischhandel

Am Bezirksgericht Arbon startet der Prozess im Fall Hefenhofen – Hauptangeklagter ist ein mutmasslicher Tierquäler.

Anfangs August 2017 hatten Tierschützerinnen und Tierschützer genug. Sie harrten vier Tage vor dem Hof des mutmasslichen Tierquälers aus und setzten damit den Kanton Thurgau unter Druck. Damit dieser handelt. Mit einem Grossaufgebot schritt die Polizei letztlich ein, riegelte den Hof ab und führte den Pferdezüchter von Hefenhofen ab.

Abgemagert und vernachlässigt

Der Bauer hatte zu diesem Zeitpunkt 93 Pferde und rund 200 Kühe, Schweine, Schafe, Ziegen, Hühner und Lamas auf seinem Hof. Die Tiere wurden abtransportiert. Um die abgemagerten Pferde kümmerte sich die Armee. Die Pferde wurden später versteigert.

Jetzt, fünfeinhalb Jahre später, kommt der Fall vor Gericht. Dem Beschuldigten werden laut Anklageschrift unter anderem mehrfache Tierquälerei, mehrfache Widerhandlung gegen das Tierschutz- und das Tierseuchengesetz und mehrfache Gefährdung des Lebens vorgeworfen. Die strafrelevanten Tathandlungen reichen laut Anklageschrift teilweise bis ins Jahr 2013 zurück.

Die Staatsanwaltschaft verlangt eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren. Zudem soll der Angeklagte zu Geldstrafen, Bussen und Ersatzforderungen verurteilt werden und die Untersuchungs- und Verfahrenskosten tragen. Insgesamt sind dies über 100'000 Franken. In einem anderen Verfahren entschied das Bundesgericht bereits im Oktober 2020, dass der Pferdehändler keine Tiere mehr halten darf.

Staatsanwaltschaft deckt illegalen Handel mit Schweinefleisch auf

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Im mutmasslichen Tierquälfall von Hefenhofen müssen sich auch zwei Metzger vor Gericht verantworten. Ihnen werden in der Anklageschrift mehrfache Tierquälerei, mehrfaches Vergehen gegen das Tierseuchengesetz und gewerbsmässige Widerhandlungen gegen das Lebensmittelgesetz vorgeworfen.

Der Seniorchef einer Metzgerei soll Schweine mit Verletzungen wie Brüchen – sogenannte Kümmerer – an der veterinäramtlichen Tierkontrolle vorbeigeschleust haben. Anschliessend seien sie nach Hefenhofen gebracht worden. Die dort gemästeten Schweine soll der Metzger, gemäss Anklageschrift, dem mutmasslichen Tierquäler wieder abgekauft und deren Fleisch seiner Kundschaft verkauft haben. Sein Sohn habe das Vorgehen geduldet.

Die Staatsanwaltschaft fordert für die beiden Metzger bedingte Haftstrafen von zwölf beziehungsweise neun Monaten und Ersatzforderungen über je 52'000 Franken.

Der illegale Fleischhandel wird am ersten Prozesstag am 1. März 2023 verhandelt.

Die Hofräumung im August 2017 in Hefenhofen war der Höhepunkt einer Geschichte, die den Kanton Thurgau seit den 90er-Jahren beschäftigte. Ein unrühmliches Kapitel für den Kanton, wie ein externer Bericht aufzeigte.

Komplexer Tierschutzfall

Die Thurgauer Regierung setzte nach der Eskalation im August 2017 eine Untersuchungskommission ein, die im Oktober 2018 einen Bericht vorlegte. Dieser hält fest, dass Strafgerichte schon mehrmals zuvor die Zustände auf dem Hof als nicht tolerierbar beschrieben hatten. Die Thurgauer Regierung räumte daraufhin Fehler ein, verzichtete aber auf personelle Konsequenzen.

Der Weg zum neuen Thurgauer Veterinärgesetz

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  • Der externe Untersuchungsbericht zum Fall Hefenhofen beinhaltete 18 Empfehlungen zuhanden der Regierung.
  • Eine der wichtigsten Massnahmen war die Revision der Tierschutzverordnung . Diese wurde 2019 angepasst. Künftig werden Personen, die negativ auffallen, strenger kontrolliert. Es können zudem schärfere verwaltungsrechtliche Sanktionen ausgesprochen werden, wenn milde Sanktionen keine Verbesserungen bringen.
  • 2020 hat die Regierung ihr Geschäftsreglement angepasst. Im Regelwerk über die regierungsrätliche Arbeit ist neu festgehalten, dass Departementsvorsteher den Gesamtregierungsrat frühzeitig über besondere Geschäfte und Vorkommnisse informieren. Die Gesamtregierung kann einem Departementsvorsteher auch gegen dessen Willen die Führung eines Geschäftes entziehen.
  • 2021 verabschiedete der Thurgauer Grosse Rat ein neues Veterinärgesetz . Dieses basiert auf der revidierten Tierschutzverordnung von 2019. Im Gesetz ist unter anderem festgehalten, dass jede Person Verstösse melden kann. Auch die Zusammenarbeit unter den Behörden wurden neu geregelt.

Im Sommer 2022 erhob die Thurgauer Staatsanwaltschaft nicht nur gegen den Tierhalter und mutmasslichen Tierquäler Anklage, sondern kurz darauf auch gegen den damaligen Leiter des Thurgauer Veterinäramts und drei seiner Mitarbeitenden.

Ehemaliger Kantonstierarzt ebenfalls vor Gericht

Der ehemalige Thurgauer Kantonstierarzt soll auch noch dieses Jahr ebenfalls vor Gericht stehen. Er ist unter anderem wegen mehrfachen Amtsmissbrauchs – teilweise durch Unterlassung – angeklagt. So soll er beispielsweise ein im Jahr 2013 angeordnetes Tierhalteverbot auf dem Hof in Hefenhofen nicht durchgesetzt haben.

Für alle Angeklagten in den verschiedenen Verfahren gilt die Unschuldsvermutung. Die Hauptverhandlungen im Fall Hefenhofen finden zwischen dem 1. und 21. März 2023 am Bezirksgericht Arbon statt. Die Urteile werden am 21. März erwartet.

HeuteMorgen, 01.03.2023, 06:00 Uhr ; 

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