Fall Kümmertshausen - Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung: Staatsanwälte vor Gericht
Der letzte Akt im Fall Kümmertshausen: Ab heute stehen zwei ehemalige Thurgauer Staatsanwälte vor Gericht. Die Vorwürfe: Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung.
Vor gut zwei Monaten war der letzte Verhandlungstag im Fall Kümmertshausen – dem grössten Strafprozess, den es im Kanton Thurgau je gab. Dabei ging es um ein Tötungsdelikt, um Menschenhandel, Bandenkriminalität und vieles mehr. Insgesamt standen 14 Personen vor Gericht, sechs Jahre lang wurde prozessiert.
Im Fokus standen dabei auch die zuständige Staatsanwältin und der zuständige Oberstaatsanwalt. Beide wurden im Verlauf des Prozesses abgesetzt, weil sie sich sonst allenfalls selbst strafbar gemacht hätten. Ab Dienstag stehen die Frau und der Mann nun in Frauenfeld vor Gericht.
Die beiden ehemaligen Thurgauer Staatsanwälte sollen zum Teil unsauber gearbeitet und einen Zeugen respektive einen Beschuldigten dadurch hinters Licht geführt haben. Konkret wird den Angeklagten mehrfacher Amtsmissbrauch und Urkundenfälschung vorgeworfen.
Laut der Anklageschrift sollen sie vor zehn Jahren, also noch während der Untersuchungen zum Fall Kümmertshausen, bei der Einvernahme eines Zeugen die Nachricht erhalten haben, ebenjene Einvernahme wegen eines Wechsels des Strafverteidigers abzubrechen. Trotzdem sollen sie weitergemacht haben. Hinzu kommt, dass Ausschnitte der Einvernahme nicht im Protokoll aufgeführt seien.
Bedingte Geldstrafen gefordert
Des Weiteren wird beiden vorgeworfen, dass eine Telefonüberwachung länger lief, als dies bewilligt war. Dadurch seien Aussagen in der Akte gelandet, die nicht hätten verwendet werden dürfen. Was bei einem solch grossen Prozess nach kleinen Verfahrensfehlern klingt, führte beim Fall Kümmertshausen zu grossen Verzögerungen und höherer Steuerbelastung.
2015 wurden die ehemalige Staatsanwältin und der Oberstaatsanwalt, der heute leitender Staatsanwalt in Schaffhausen ist, wegen der Vorwürfe vom Bundesgericht abgesetzt. Der ausserordentliche Staatsanwalt, der in diesem Fall nun eingesetzt worden ist, fordert für beide Angeklagte eine bedingte Geldstrafe. Bis zum Urteil, das am 17. Mai verkündet werden soll, gilt die Unschuldsvermutung.
Kümmertshausen: Am Anfang stand ein Leichenfund
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Am Anfang des grössten Straffalls, der im Kanton Thurgau je behandelt worden ist, stand ein Leichenfund. Im November 2010 wurde ein Mann tot in seinem Haus im Weiler Löwenhaus in Kümmertshausen (TG) aufgefunden. Der Mann wurde von zwei Männern überfallen, geknebelt und gefesselt, das Opfer erstickte schliesslich.
Der Fund der Leiche warf Rätsel auf und führte zu weitreichenden Ermittlungen. Das Opfer geriet in Machenschaften einer kriminellen Bande, die Menschenschmuggel und Drogenhandel betrieb. Ein Auftragsmord wurde aber nie nachgewiesen.
Vor Gericht standen schliesslich 14 Angeklagte wegen verschiedener Delikte. Sämtliche Verfahren wurden in einem einzigen Verfahren zusammengefasst: dem Fall Kümmertshausen. Am Ende waren da 500 Ordner mit Untersuchungsakten, 30 verschiedene Anklagepunkte und über 1200 Seiten in einem ersten Urteil mit zwölf Verurteilten.
Der Bandenboss wurde zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt, hinsichtlich der Tötung wurde er aber freigesprochen.
Ein Kronzeuge war der einzige, der in diesem Zusammenhang verurteilt wurde. Dieser zog seine Verurteilung allerdings weiter und wurde vom Vorwurf der Tötung Ende Dezember 2022 freigesprochen.
Wegen Raubs wurde er zu 23 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt, ins Gefängnis musste er aber wegen der langen Dauer der Untersuchungshaft nicht.
Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels hiess es, dass der «Kronzeuge» wegen eventualvorsätzlicher Tötung durch Unterlassung zu 7.5 Jahre Gefängnis verurteilt wurde. Diese Angaben waren falsch und wurden korrigiert.
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