- Am fünften Verhandlungstag im Prozess um Ex-Raiffeisenchef Pierin Vincenz ist die Zürcher Staatsanwaltschaft scharf kritisiert worden.
- Sie habe tendenziös ermittelt, Nachrichten falsch interpretiert und blind ihrer vorgefassten Meinung vertraut, kritisierten Beschuldigte und deren Verteidiger.
Nach einer zweiwöchigen Pause fand am Mittwoch der einzige im Februar angesetzte Verhandlungstag im Raiffeisen-Prozess statt: Das Bezirksgericht Zürich holte die Befragung des Mitbeschuldigten nach, der im Januar coronabedingt gefehlt hatte. Dieser bezeichnete sich, wie alle Beschuldigten vor ihm, als «zu 100 Prozent unschuldig».
Der mittlerweile von Corona genesene Beschuldigte soll Pierin Vincenz und seinem Geschäftskollegen Beat Stocker geholfen haben, geheim bei der Beteiligungsfirma Investnet einzusteigen. Als diese schrittweise von der Raiffeisen übernommen wurde, hätten sie sich privat bereichert. Dass Stocker eine Gewinnbeteiligung von 25 Prozent versprochen wurde, sei keine stille Beteiligung gewesen, führte der Befragte vor Gericht aus. Es habe sich um eine Entlöhnung für seine operative Tätigkeit gehandelt.
Mehr als 12 Millionen Franken sind an Stocker geflossen. Einen Teil davon, insbesondere eine Zahlung über 2.9 Millionen Franken, soll er gemäss Anklage an Vincenz weitergeleitet haben. Dass diese Gelder eine Gegenleistung dafür sein könnten, dass sich Vincenz und Stocker bei Raiffeisen für eine Investnet-Annäherung einsetzten, bezeichnete der Beschuldigte als Unsinn.
Vorwürfe für Verteidigung haltlos
Stockers Verteidiger machte am Mittwochmittag dort weiter, wo er im Januar zeitbedingt unterbrechen musste: Er wies in seinem Plädoyer einen Punkt der Anklage nach dem anderen detailliert zurück. Die Staatsanwaltschaft habe unpräzise ermittelt und verwende schwammige Formulierungen, kritisierte er.
Der Vorwurf, dass es sich bei der Zahlung von Stocker an Vincenz in Höhe von 2.9 Millionen Franken um eine Gewinnbeteiligung aus dem Investnet-Deal gehandelt habe, sei haltlos. Das sei ein Darlehen für einen Hauskauf gewesen. Es gebe einen entsprechenden Vertrag, der die Rückzahlungs-Modalitäten regle, so Stockers Verteidiger.
Auch der Verteidiger des Kommunikationsberaters, den Vincenz auf eine Golfreise nach Dubai eingeladen hatte, wies die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zurück: Es sei nichts Anrüchiges dabei, eine aus Wertschätzung für harte Arbeit ausgesprochene Einladung anzunehmen.
Da der Kommunikationsberater die Reisekosten von knapp 20'000 Franken bei Vincenz in Rechnung stellte, der diese Auslagen dann als Geschäftsspesen verbuchte, hat die Staatsanwaltschaft den Kommunikationsberater wegen Gehilfenschaft zu Veruntreuung angeklagt.
Sein Mandant habe als Eingeladener seinen grössten Kunden, den CEO der drittgrössten Schweizer Bank, doch nicht fragen müssen, wie dieser die Reise zu bezahlen gedenke, hielt der Verteidiger fest. Dass die Staatsanwaltschaft vom Kommunikationsberater eine solche Sorgfalt verlange, nicht aber vom damaligen Raiffeisen-Verwaltungsratspräsidenten Johannes Rüegg-Stürm, der Vincenz' Spesen unkontrolliert absegnete, sei absurd.