Eltern, die ihre Kinder daheim betreuen, sollen mindestens den gleichen Steuerabzug machen dürfen, wie Familien, welche die Kinder fremd betreuen lassen. Das verlangt die SVP in ihrer Familieninitiative.
Nadja Pieren, SVP-Vizepräsidentin und Initiantin, hält fest, mit der Familieninitiative werde niemandem etwas weggenommen. Selbstverständlich sei es gerecht, dass jemand die Kosten für die Betreuung in einer Kita von den Steuern abziehen könne. Mit der Familieninitiative werde die Möglichkeit eines Steuerabzugs für Kindererziehung einfach auf alle Familien ausgedehnt: «Pro Kind ein Abzug.»
Die Frage der Fairness
Finanzministerin Widmer-Schlumpf widerspricht vehement. Es gehe eben nicht um Abzüge. Seit 2011 habe man eine Gleichheit für alle Familienmodelle erreicht. Sodass bei einem Einkommen von 100‘000 Franken – egal, ob mit einem oder zwei Jobs erzielt – am Schluss für alle gleichviel übrig bleibe. «Das ist für mich sehr wichtig. Eine liberale Gesellschaft muss eine Gleichbehandlung haben», sagt Widmer-Schlumpf. Die Wahl eines Familien- oder Lebensentwurfs solle nicht durch ein Steuermodell bestimmt werden.
Im Kanton Zug ist – neben Luzern und Wallis – das von der SVP gewünschte Steuermodell bereits umgesetzt. Der Zuger SVP-Regierungsrat Heinz Tännler erklärt: «Auch bei der Eigenbetreuung fallen Kosten an. Zudem verzichtet man auf die Ausübung des Berufs und auf ein Einkommen. Deshalb wollten wir im Kanton Zug mit einer politischen Lösung die Eigenverantwortung stärken.» Alle Eltern – ob mit Eigenbetreuung oder Fremdbetreuung – müssten für ihre wichtige Arbeit eine Wertschätzung erfahren.
Widmer-Schlumpf würde dagegen eher von einer «Förderung von Familien, die 100 Prozent Eigenbetreuung sicherstellen» sprechen. Ihrer Ansicht nach geht es aber nicht an, ein bestimmtes Familienmodell zu bevorzugen.
Pendlerabzug auch für «Daheimbleiber»
Für die Finanzministerin ist klar: Nicht existierende Kosten sind nicht abzugsfähig. Nadja Pieren weist darauf hin, dass für Eltern mit Eigenbetreuung sehr wohl beträchtliche Kosten anfallen würden. Und diese müssten genauso abzugsfähig sein wie die Kosten einer Kita-Betreuung. In der zweiten Reihe entbrennt ein Streit über die wahren Kosten eines Krippenplatzes und dessen Subvention durch den Staat.
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Nationalrat Andrea Caroni (FDP/AR) macht den Vergleich mit dem Pendlerabzug für diejenigen, die auswärts arbeiten: «Frau Pieren möchte einen Pendlerabzug für alle. Auch für diejenigen, die in der Freizeit Zug fahren oder einfach zu Hause bleiben.» Damit sei sonnenklar, dass es um eine Bevorzugung gehe.
Nein, widerspricht SVP-Regierungsrat Tännler: «Es geht um den Ausgleich eines Nachteils im Fall der traditionellen Familie.»
Steuerabzüge als schlechter Anreiz
Der Basler SP-Nationalrat Beat Jans findet: «Grundsätzlich sind Steuerabzüge das Dümmste, um Gerechtigkeit herzustellen.» Immerhin gebe es jetzt eine gewisse volkswirtschaftliche Logik: Im Fall von Basel-Stadt bringe jeder Franken Steuerausfall bei Betreuungskosten sechs Franken – dank höheren Einkommen. Ein Steuerabzug für eine traditionelle Familie hingegen bringe dem Staat ausser einem Steuerausfall gar nichts.
Der Tessiner CVP-Nationalrat Marco Romano, der entgegen der Empfehlung seiner Partei die Initiative unterstützt, wiederholt das Argument einer Abzugsgerechtigkeit für alle. Seine Parteikollegin Babette Sigg Frank, Präsidentin der CVP-Frauen Schweiz, hält ihm einen negativen Erwerbsanreiz vor: Es könne doch nicht sein, dass jemand arbeite und schliesslich weniger Geld im Portemonnaie habe als jemand, der daheim bleibe.
GLP-Nationalrätin Tiana Angelina Moser geht noch weiter: Wenn die SVP mit ihrer Initiative das Frau-am-Herd-Modell fördere, entziehe sie damit der Wirtschaft viele Fachkräfte. Der Berner SVP-Nationalrat Albert Rösti hält dagegen, dass man mit einem Abzug für eigenbetreuende Familien niemanden aus dem Arbeitsprozess locken wolle.
Wer müsste die Kosten übernehmen?
Von der Familieninitiative können nur relativ wenige profitieren: Nämlich Familien mit Kindern zwischen 0 und 14 Jahren sowie einem Einkommen von 100'000 Franken und mehr. Familien mit einem geringeren Einkommen sind kaum oder gar nicht mehr Bundessteuer-pflichtig.
Bundesrätin Widmer-Schlumpf weist daraufhin, dass bei Gemeindefinanzen die Schulkosten den grössten Posten darstellen. Und der werde hauptsächlich ausgerechnet von denen bezahlt, die selber keine Kinder haben. Das sei in einer solidarischen Gesellschaft auch richtig.
Aber dieses System hat nach Ansicht der Finanzministerin auch seine Grenzen. Man müsse sich fragen, ob man im Falle der zu erwartenden Steuerausfälle – beim Bund etwa 390 Millionen Franken, bei Kantonen und Gemeinden zusätzlich bis zu einer Milliarde – wiederum die nicht direkt Betroffenen zur Kasse bitten dürfe.
Ob sich die Schweiz die Ausfälle leisten könne, will Widmer-Schlumpf gar nicht diskutieren. Sondern ganz grundsätzlich, ob diese Steuerausfälle gerechtfertigt seien. Und hier waren die Meinungen bei Befürwortern und Gegnern der Familieninitiative schon vor der «Arena» gemacht.