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Fehlende Transparenz Finanzkontrolle kritisiert Schweizer Recyclingsystem

Für die Finanzkontrolle ist zu wenig transparent, wie gut das Wiederverwertungssystem funktioniert. Auch sei unklar, wohin die vorgezogenen Entsorgungsbeiträge fliessen.

Was in vielen Ländern einfach im Abfall landet, wird in der Schweiz fleissig gesammelt, getrennt und entsorgt. Doch jetzt übt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK), so etwas wie das oberste Aufsichtsgremium des Bundes, Kritik am Schweizer Recyclingsystem.

Hierzulande gibt es zwei verschiedene Recyclingsysteme. Ein staatlich verordnetes, wie etwa für Glas oder Batterien. Wer Glas oder Batterien verkauft, muss sich zwingend an einem Recyclingsystem beteiligen. Dieses funktioniere, so das Fazit der Finanzkontrolle.

Ein Arbeiter nimmt einen PC mit Schutzhandschuhen auseinander. Er trägt eine Schutzmaske.
Legende: Das Recycling von Elektrogeräten organisieren Händler selbst. Keystone/GAETAN BALLY

Die meisten Branchen organisieren sich aber selbst. Ob PET, Konserven, Aludosen, Leuchten oder Elektroschrott – alles wird gesammelt. Die Teilnahme am Recycling für Händler ist aber freiwillig. Und hier fehle es an Transparenz, kritisiert die Finanzkontrolle.

Bafu tappt im Dunkeln

Eigentlich hätte das Bundesamt für Umwelt (Bafu) die Aufgabe, auch die privat organisierten Branchen zu kontrollieren. Doch das Bundesamt tappe nur allzu oft im Dunkeln: Weder wisse das Bundesamt, wohin die vorgezogenen Entsorgungsbeiträge fliessen, noch wisse es über die Qualität des Recyclings Bescheid.

«Wenn ich für einen Fernseher 20 Franken Entsorgungsbeitrag zahle, weiss ich nicht, wie viele Fernseher nach dem neusten Stand der Technik wiederverwertet werden und wie viele am Ende doch in einer Kehrichtverbrennungsanlage landen», sagt Emmanuel Sangra, Fachbereichsleiter bei der EFK. Besonders intransparent sei diese Wiederverwertung beim Elektroschrott. Das Bundesamt zeige hier zu wenig Durchsetzungsvermögen: «Vielleicht müsste das Bafu hier mehr Muskeln zeigen», sagt Sangra.

Dabei müsste das Bundesamt wissen, ob das Recyclingsystem funktioniere. Wenn es dies nämlich nicht tue, müsse das Amt für eine staatliche Lösung sorgen.

Das Amt nimmt nur schriftlich Stellung: «Wie die Eidgenössische Finanzkontrolle betont, wäre auch aus Sicht des Bafu eine höhere Transparenz über die Finanz- und Stoffflüsse zu begrüssen. Da es sich um freiwillige Finanzierungssysteme der Privatwirtschaft handelt, die als Alternative zu einer Regulierung durch den Bund gegründet wurden, kann das Bafu nur beschränkt Einfluss nehmen.»

Branchenverband verteidigt System

Einer der zuständigen Branchenverbände, die Swico, weist diese Kritik zurück: «Ich würde beide Hände ins Feuer legen für unser Recyclingsystem. Wir arbeiten seit Jahrzehnten eng mit der Empa zusammen, die unser System überprüft, und wir auditieren unsere Recyclingpartner», sagt Geschäftsführerin Judith Bellaiche. «Büro- und Unterhaltungselektronik wird in der Schweiz nach dem neusten Stand der Technik und nach höchsten Standards recycelt.»

Die Politik will die privat organisierten Branchen jetzt in die Pflicht nehmen. «Es gibt so viele Möglichkeiten, Abfall zu verarbeiten, dass man vielleicht die Übersicht verloren hat, was wohin geht und wie behandelt wird», sagt der Subkommissionspräsident Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG).

Verbände horten Recyclingbeiträge: Auto Schweiz wehrt sich

Box aufklappen Box zuklappen

Kritik übt die Finanzkommission auch an den prall gefüllten Kassen der privat organisierten Verbände. 145 Millionen Franken würden die Verbände an vorgezogenen Entsorgungsbeiträgen horten. Bei solch vollen Kassen steige das Risiko von «unsachgemässer Verwendung», sprich von einer Zweckentfremdung. Eine besonders prall gefüllte Kasse habe der Verband Auto Schweiz mit 74 Millionen Franken.

Auto Schweiz schreibt SRF dazu, man habe ursprünglich mit dem Geld eine eigene Verwertungsanlage bauen wollen. Inzwischen habe man den Beitrag pro Auto von 75 Franken auf 1 Franken gesenkt. Dieser Beitrag sei kein vorgezogener Recyclingbeitrag, sondern ein freiwilliger Beitrag der Automobilimporteure für die umweltgerechte Entsorgung.

Die Subkommission «Kreislaufwirtschaft» hat bereits erste Beschlüsse gefasst. So soll der Bund in Zukunft mit den privat organisierten Branchen verbindlich vereinbaren, wie hoch etwas die Sammelquote sein muss. Wann diese Vorschläge ins Parlament kommen, ist noch offen.

SRF 4 News, 08.02.2022, 23:00 Uhr

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