Gibt es Gott? Und gibt es nach dem Diesseits ein Jenseits? In den meisten Religionen fallen die Antworten zweimal positiv aus. Auch im Christentum. Aber eine Pfarrerin sieht das anders: Ella de Groot von der Reformierten Kirchgemeinde Muri-Gümligen bei Bern. Sie lehnt Gott als Instanz ab.
SRF News: Wie feiern Sie denn Ostern?
Ella de Groot: Ostern als Sonntag der Auferstehung, da feiern wir das Leben. An Ostern kann man das Leben in voller Fülle feiern. Und Auferstehen, das kann Aufstand bedeuten, das kann sogar Revolution bedeuten. Wo stehe ich in meinem eigenen Leben auf, gegen was stehe ich auf? Aber ich rede da nicht vom Aufstehen nach dem Tod.
Sie reden auch nicht von der Auferstehung Christi, was ja der Grund ist, warum wir Ostern feiern.
Die Auferstehung Christi ist ein Bild für die Kraft des Lebens. Ich rede nicht von einer körperlichen Auferstehung Christi. Ich werde die Worte in einer Predigt gebrauchen können, aber dann als Symbolsprache, als Bild.
Gott oder Christus ist für sie eine Metapher?
Ja, das ist eine Metapher.
Was ist es denn, worüber Sie reden? Ist es die Wirkung, die Gott hat, statt Gott selbst?
Das ist die Kraft oder die Hoffnung, die wir selber aus dem Leben schöpfen, das Vertrauen ins Leben. Uns wird nicht geholfen von jemandem in einer metaphysischen Welt, sondern durch die Kraft des Lebens oder die Erfahrung, wieder aufstehen zu können. Das ist eine zum Teil auch zwischenmenschliche Erfahrung.
Mit der biblischen Sprache kann ich ein Leben deuten, kann ich Situationen deuten und Bedeutung geben.
Kommen in Ihrer Predigt auch Bibelstellen vor?
Ja sicher. Aber ich kann sehr gut über Gott und Christus reden als Symbolsprache. Und die biblische Überlieferung ist mir sehr wichtig. Ich könnte nicht predigen ohne Bibel. Sogar bei Ausgetretenen sage ich: Wenn Sie eine kirchliche Trauerfeier wünschen, gehört eine Bibelstelle dazu. Denn mit der biblischen Sprache und den Metaphern kann ich ein Leben deuten und ihm Bedeutung geben. Da ist mir die Bibel sehr, sehr wichtig.
Leute mit einem eher traditionellen Kirchenverständnis werden sagen: Was sie machen, entspricht nicht der «richtigen Kirche»?
Was ist schon richtig? Wir haben alle unterschiedliche Horizonte und Menschen haben unterschiedliche Gottesbilder, weil das ihre Bilder sind. Und ich spreche nur einen Teil der kirchlichen Basis an und behaupte nicht, dass ich es allen recht machen kann.
Was haben denn die Mitglieder in Ihrer Kirchgemeinde gesagt?
Es geht hier um Authentizität. Viele Menschen haben nicht mehr dieses theistische, metaphysische Gottesbild. Und die fühlen sich ernst genommen in ihren Fragen und ihrem Suchen. Ich sehe es als meine Aufgabe, ehrlich mit ihnen unterwegs zu sein.
Ich fühle mich zuständig für diese Leute, die sich am Rande der Kirche bewegen.
Einige würden vielleicht sagen, Sie biedern sich etwas bei den Säkularen an.
Wenn man da das Wort anbiedern benutzen möchte. Ich fühle mich zuständig für diese Leute, die sich am Rande der Kirche bewegen, die schon ausgetreten sind oder darüber nachdenken, auszutreten. Menschen, für die die traditionelle Sprache keinen Inhalt mehr hat und Menschen die gleichwohl Brüche und Übergänge im Leben gedeutet haben möchten. Oder Menschen, die jemanden brauchen bei Übergängen – sei es bei Geburt, Konfirmation, Hochzeit und natürlich beim Tod.
Dürfen Sie trotzdem weiterhin predigen?
Ja, weil es auch von der Kirchenleitung geheissen hat, die Landeskirche ist sehr offen und sehr breit. Und beides muss Platz haben – also ich auf der einen Seite und Kolleginnen und Kollegen auf der anderen Seite. Denn es gibt so viele Menschen in dieser Kirche und so viele unterschiedliche Glaubensvorstellungen. Da habe ich noch Platz drin.
Das Gespräch führte Beat Soltermann.