Im Berner Oberland wird seit Corona deutlich mehr Französisch gesprochen. «Auch auf den Parkplätzen hat es vermehrt Autos aus Genf, Waadt, Neuenburg oder Freiburg», sagt Markus Bolliger von Interlaken Tourismus. «Es ist schön, dass die Gäste von überall aus der Romandie kommen.»
Wie im letzten hat die Zahl der Romands auch in diesem Jahr zugenommen. Wie viele zusätzliche Touristen aus der Westschweiz tatsächlich gekommen sind, kann man in Interlaken aber nicht sagen.
Die Tourismusregion Adelboden-Lenk-Kandersteg geht davon aus, dass rund 30 Prozent der Gäste Französisch sprechen, sagt die Marketingverantwortliche Silvia Nüesch. Das sind mehr als vor Corona.
Von Montreux kann man mit dem Zug direkt ins Berner Oberland fahren.
Eine Zunahme bemerkt hat auch der Verband Hotelleriesuisse. Im Berner Oberland habe vor allem das Saanenland profitiert, sagt Annette Stoffel, Zuständige für die Region: «Das könnte mit der Zugverbindung zu tun haben, mit der man von Montreux direkt ins Berner Oberland fahren kann.» Ein Geheimtipp ist diese Reise schon lange nicht mehr.
Tourismusregionen buhlen um Romands
Im Berner Oberland haben die Verantwortlichen reagiert und teilweise Broschüren auf Französisch übersetzt, die Internetseiten angepasst. Auch die Werbung für die Westschweiz wurde erhöht: «Über Social Media haben wir Kampagnen geschaltet», sagt Silvia Nüesch aus Adelboden-Lenk-Kandersteg.
Die Westschweiz ist bisher nur stiefmütterlich behandelt worden.
Angestellte der Tourismusregion Interlaken seien auch in die Westschweiz gereist, um den Romands das Berner Oberland schmackhaft zu machen – so wie auch viele andere Deutschschweizer Tourismusregionen um die welschen Gäste buhlen: «Die Westschweiz ist bisher stiefmütterlich behandelt worden. Jetzt hatte man keine andere Möglichkeit mehr und sah dort Potenzial», sagt Markus Bolliger von Interlaken Tourismus.
Engagement hat Grenzen
In allen Bereichen des Alltags kommen die Tourismusregionen den Gästen aus der Westschweiz aber nicht entgegen: Zugdurchsagen gibt es vielerorts nicht auf Französisch. Die Züge der Zentralbahn, die zwischen Luzern, Engelberg, Interlaken, Meiringen und Innertkirchen unterwegs sind, verzichten beispielsweise darauf. «Pourquoi pas?», fragte sich SRF-Hörer Otto Kohler aus Brienz, der selbst Romand ist: «Die Welschen füllen derzeit die Züge. Aber die Durchsagen sind nur auf Englisch. Das nervt.»
«Mindestens aus Höflichkeit sollten die Durchsagen auch auf Französisch sein», sagt Kohler. Denn so hätten die Welschen das Gefühl, sie seien im Ausland und würden sich darüber lustig machen: «Sie sagen, die Deutschschweizer könnten halt kein Französisch.»
Pourquoi pas?
Die betroffene Zentralbahn weist die Kritik von sich. Man halte sich an die Regeln der Schweiz: «Wenn ein Zug die Sprachregion wechselt, wird die entsprechende Sprache gesprochen», sagt Thomas Keiser. Die Zentralbahn fahre aber nur in der Deutschschweiz, weshalb die Ansagen Deutsch seien – und mit Englisch ergänzt, weil viele Gäste aus Asien kommen würden.
Dies zu ändern, sei nicht so einfach und brauche Zeit: «Wir werden dies aber prüfen und bei Bedarf auch französischsprachige Durchsagen machen», sagt Keiser. Zentral sei, ob die Romands auch nach Corona vermehrt in die Deutschschweiz kommen werden.
Welsche sollen bleiben
Touristikerinnen und Touristiker hoffen, dass die wachsende Liebe der Welschen zu den Deutschschweizer Bergen und Seen auch nach Corona anhalten wird: «Wir werden auch künftig viel für die Westschweizer Gäste machen, weil sie uns wichtig sind», heisst es aus der Region Adelboden-Lenk-Kandersteg.