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Finanzierung Gesundheitskosten Nationalrat geht auf Konfrontationskurs mit Kantonen

  • Medizinische Leistungen im ambulanten Bereich werden heute zu 100 Prozent von den Krankenkassen bezahlt.
  • Das soll sich ändern: Der Nationalrat will, dass die Kantone einen Viertel der Kosten übernehmen.
  • Die Kantone fühlen sich übergangen: Sie haben bereits ein Referendum angedroht.

Für Kommissionssprecherin Ruth Humbel (CVP/AG), die die Gesetzgebungsarbeiten mit einer parlamentarischen Initiative angestossen hatte, überwiegen die Vorteile klar. Sie bezifferte das Sparpotenzial des Systemwechsels mit bis zu einer Milliarde Franken pro Jahr. «Es ist ein wichtiger Reformschritt», sagte Humbel, die im Verwaltungsrat der Krankenkasse Concordia sitzt.

Kantone verlangen Nachbesserung

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Die Vorlage des Nationalrats müsse noch in wesentlichen Punkten verbessert werden, wenn die Kantone sie unterstützen sollen, heisst es in der Mitteilung der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK). Insbesondere werde in der Vorlage nicht die ganze Versorgungskette berücksichtigt, also auch die im Pflegeheim und der Spitex erbrachten Leistungen.

Leistungen im stationären Bereich werden zu mindestens 55 Prozent von den Kantonen und damit aus Steuergeldern finanziert, den Rest bezahlen die Krankenkassen. Das führe zu Fehlanreizen, so die Befürworter einer einheitlichen Finanzierung im ambulanten und stationären Bereich (Efas). Versicherungen hätten kaum einen Anreiz, ambulante Behandlungen zu fördern, auch wenn diese günstiger wären.

So sieht der Systemwechsel aus

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Bei einer einheitlichen Finanzierung vergüten Krankenkassen alle ambulanten und stationären Behandlungen. Die Kantone sollen mindestens 25.5 Prozent der Nettokosten nach Abzug von Selbstbehalt und Franchisen tragen. Sie zahlen also nur dann, wenn auch den Krankenkassen Kosten entstehen. Der Systemwechsel für Kantone und die Versicherer soll kostenneutral ausfallen.

Der Bundesrat wäre mit dem Systemwechsel grundsätzlich einverstanden. «Es bleibt aber viel Arbeit», sagte Gesundheitsminister Alain Berset. Der Nationalrat sei noch weit von einer mehrheitsfähigen Vorlage entfernt.

Die Linke beantragte erfolglos, gar nicht erst auf die Vorlage einzutreten.

Auch die SP sei nicht grundsätzlich gegen den Systemwechsel, sagte Barbara Gysi (SG). Aber mit der Vorlage würden neue Fehlanreize geschaffen, die Rolle der Krankenkassen würde zu sehr gestärkt. Die Vorlage stamme klar aus der Feder des Krankenkassenverbands Curafutura, kritisierte Gysi. Und die Interessen der Kantone seien missachtet worden – sie würden zu reinen «Zahlvätern und Zahlmüttern» degradiert, so Cedric Wermuth (SP/AG).

Die Kantone drohen denn auch mit einem Kantonsreferendum, sollten die Räte die Vorlage nicht nachbessern. Unter anderem fordern sie, dass auch die Langzeitpflege in den Systemwechsel einbezogen wird. In dem Bereich tragen die Kantone den Kostenanstieg alleine. Die Gesundheitsdirektorenkonferenz warnt vor Steuererhöhungen und Sparpaketen in den Kantonen.

Der Nationalrat hat die Vorlage in der Gesamtabstimmung mit 121 zu 54 Stimmen angenommen. Die einheitliche Finanzierung geht nun an den Ständerat. Angesichts des Widerstands der Kantone dürfte es die Vorlage bei den Standesvertreterinnen und Standesvertretern schwer haben.

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