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Flankierende Massnahmen Der Bundesrat muss Cassis’ versalzene Suppe auslöffeln

Der Bundesrat musste heute die Suppe auslöffeln, die ihm das neuste Regierungsmitglied eingebrockt hatte. Im März noch hatte der Bundesrat die flankierenden Massnahmen als rote Linie bezeichnet – im Hinblick auf die Verhandlungen mit der EU über ein künftiges Rahmenabkommen.

Doch dann kam Aussenminister Ignazio Cassis und verkündete in aller Öffentlichkeit, beide Seiten müssten bereit sein, über den eigenen Schatten zu springen. Worauf natürlich die Schweizer Gewerkschaften ebenfalls öffentlich sofort betonten, dies nicht tun zu wollen. Der Lohnschutz ist ihnen heilig.

Bundesrat braucht die Linke

Das kann dem Bundesrat nicht egal sein. Denn von der SVP wird ein allfälliges Rahmenabkommen sowieso torpediert werden. Springt auch die Linke noch ab, ist ein Rahmenabkommen politisch tot. Deshalb wäre es schlau gewesen, zuerst hinter den Kulissen mit den Gewerkschaften, den Arbeitgebern und den Kantonen zu diskutieren, ob es allenfalls auch andere Methoden gäbe, um den heutigen Lohnschutz zu gewährleisten. Und erst dann geeint an die Öffentlichkeit zu gehen.

Das ist nach Cassis' Sololauf nicht mehr möglich. Der Bundesrat muss seine versalzene Suppe essen und erst noch so tun, als ob sie ihm schmecken würde. Er behauptet also, die flankierenden Massnahmen – samt konkretem Inhalt wie der umstrittenen 8-Tage-Regel – seien nach wie vor eine rote Linie. Und gibt gleichzeitig den Auftrag, während des Sommers mit Sozialpartnern und Kantonen auszuloten, ob man das Schutzniveau auch mit anderen Instrumenten erreichen könnte.

Rote Linie könnte neu gezeichnet werden

Übersetzt: Die flankierenden Massnahmen in ihrer heutigen Form sind für den Bundesrat eine rote Linie – vorläufig. Bis sich zeigt, ob diese rote Linie allenfalls auch anders gezeichnet werden könnte.

Die Extraportion Salz, die Aussenminister Ignazio Cassis dieser Suppe verabreicht hat, ist die gestiegene Verhandlungsmacht der Gewerkschaften. Weil Cassis sie durch sein Vorpreschen gezwungen hat, vorzeitig Härte zu markieren, müssen sie gegenüber ihrer Basis wesentliche Verbesserungen des Lohnschutzes an anderer Stelle vorzeigen können, um ihr Gesicht nicht zu verlieren.

Zum Beispiel: EU-Firmen, die ihre Angestellten für einen Auftrag in die Schweiz senden, müssten sich zwar nicht mehr volle acht Tage vorher anmelden. Im Gegenzug aber würde es einfacher als heute, Gesamtarbeitsverträge für alle Firmen einer bestimmten Branche für allgemein verbindlich zu erklären. Der Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen könnte sich das schon mal vorstellen.

Nur: Ob solche Zugeständnisse möglich sind, ohne die Arbeitgeber kopfscheu zu machen, die ebenfalls eine entscheidende Rolle spielen – das steht auf einem anderen Blatt. Die Suppe ist nicht nur salzig. Sondern auch kochend heiss. Achtung, Verbrennungsgefahr.

Nathalie Christen

Bundeshausredaktorin

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Christen ist Korrespondentin im Bundeshaus für Fernsehen SRF. Sie arbeitet seit 2002 für SRF. Unter anderem leitete sie die Bundeshausredaktion von Radio SRF und war Produzentin bei der «Arena». Zuvor war sie Bundeshausredaktorin beim «SonntagsBlick».

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