Die flankierenden Massnahmen gegen Lohndumping sind einer der grossen Streitpunkte zwischen der Schweiz und Brüssel – und einer der Gründe, weshalb das Rahmenabkommen mit der EU gescheitert ist.
Jetzt zeigt ein Bericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle , dass die Lohnkontrollen teils ineffizient sind und Verbesserungen am System nötig und möglich wären. Für die grünliberale Fraktionspräsidentin im Nationalrat, Tiana Angelina Moser, könnte die Europa-Diskussion nun wieder angestossen werden.
SRF News: Wie werten Sie die Kritik im Bericht der EFK zu den flankierenden Massnahmen (FM)?
Tiana Angelina Moser: Es ist erstaunlich, wie deutlich die EFK die flankierenden Massnahmen kritisiert, der Bericht hat deshalb durchaus Potenzial für politisches Handeln.
Ist die Anzahl Kontrollen tatsächlich derart übertrieben, wie das die EFK kritisiert?
Die FM sind ein sehr wichtiges Instrument im Zusammenhang mit der Personenfreizügigkeit. Die Bevölkerung möchte einen wirkungsvollen Schutz gegen Lohndumping. Der EFK-Bericht zeigt aber auch, dass Reformbedarf besteht: Das heutige System der FM ist ineffizient und teuer für die Steuerzahlerinnen und -zahler. Ausserdem fehlt es an Transparenz.
Sowohl Gewerkschafter wie Arbeitgeber stehen hinter dem System der FM. Wird sich angesichts dieser Ausgangslage etwas ändern lassen?
Es ist extrem störend, wie scharf die Kritik der EFK an den flankierenden Massnahmen von beiden Seiten zurückgewiesen wird. Um das Vertrauen der Bevölkerung in die Europapolitik zu erhalten, muss hier sehr genau hingeschaut werden.
Die Politik muss sich um den EFK-Bericht kümmern und schauen, ob das Gesetz angepasst werden muss.
Die zuständige Kommission für Wirtschaft und Abgaben muss sich deshalb um den EFK-Bericht kümmern und schauen, ob das Gesetz angepasst werden muss.
Sie haben immer kritisiert, dass es bei den FM mehr Spielraum brauche – besteht jetzt die Möglichkeit von Reformen bei den FM?
Ich habe mich immer für griffige Lohnschutz-Massnahmen ausgesprochen, aber immer auch gesagt, dass nicht unbedingt am jetzigen System festgehalten werden muss. Der EFK-Bericht zeigt nun, dass dieses fixe System nicht effizient ist und die Löhne nicht unbedingt dort überprüft werden, wo es am nötigsten wäre.
Der EFK-Bericht zeigt, dass Löhne nicht unbedingt dort überprüft werden, wo es am nötigsten wäre.
Deshalb ist es durchaus möglich, dass jetzt Bewegung in jenen Bereich kommen könnte, der für die Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU schwierig war. Der Bericht zeigt auch, dass die FM teils protektionistischen Charakter haben – deshalb erstaunt es nicht, dass sie bei der EU auf Kritik stossen.
Das System der FM ist ja gerade als nachträgliches Kontrollsystem angelegt – kritisiert die EFK also nicht etwas, das zwangsläufig aus diesem System folgen muss?
Der Bericht zeigt auf, wo es in diesem System der FM niederschwellig Handlungsbedarf gibt. Dazu gehört etwa die umstrittene 8-Tage-Regel.
Eine Digitalisierung würde die Effizienz erhöhen.
Laut der EFK würde beispielsweise eine Digitalisierung des Systems eine Verringerung der Voranmeldefristen ermöglichen – ohne den geringsten Verlust beim Lohnschutz. Sie würde sogar die Effizienz auf Schweizer Seite erhöhen.
Kommt jetzt also wieder etwas Schwung in die festgefahrene Europa-Diskussion in der Schweiz?
Wir brauchen eine Sicherung des bilateralen Weges und es wird sicherlich Bewegung geben. Es wäre sehr erfreulich, wenn sich die Gewerkschaften ebenfalls bewegen würden. Denn es geht darum, die Löhne zu schützen – und nicht das Kontrollsystem.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.