Ein Fluglotse macht einen Fehler und meldet dies. Er soll für seinen Fehler nicht bestraft zu werden, hat das Bundesgericht in einem Fall aus dem Jahr 2011 entschieden.
Experten kritisieren, dass das Grundproblem der «Just Culture» mit dem Urteil nicht gelöst sei. Einer von ihnen ist Andreas Wittwer.
SRF News: Wie bewerten Sie das Urteil des Bundesgerichts zu dem Fall aus dem Jahr 2011?
Andreas Wittmer: Es ist ein gutes Urteil. Es schafft Klarheit, weil es zeigt, dass man nicht dafür bestraft wird, wenn man ungewollt Fehler macht und diese selber meldet mit dem Ziel, die Sicherheit zu fördern.
Experten kritisieren, dass das Bundesgericht keinen Bezug zur «Just Culture» nimmt. Dieses grundsätzliche Problem ist mit dem Urteil also nicht gelöst?
Das ist korrekt. «Just Culture» ist allerdings ein schwieriger Begriff: Es kommt darauf an, ob der Mitarbeiter den Fehler gemacht hat, weil er gegen Regeln oder definierte Prozesse verstossen hat, oder ob der Fehler einfach so passiert ist. Im zweiten Fall ist der Fehler passiert, weil Fehler einfach passieren können – weil Fehler nichts als menschlich sind. In diesem Fall wollen wir daraus lernen, um den Fehler beim nächsten Mal möglichst zu verhindern.
Ein Fehler kann passieren – weil einfach Fehler passieren.
Wenn jemand aber bewusst gegen einen vorher definierten Ablauf verstösst und den Fehler so in Kauf nimmt, ist das eine andere Situation. Dann ist das auch keine «Just Culture».
Müsste man die «Just Culture» auf gesetzlicher Stufe genau definieren?
Das ist sehr schwierig. In der Luftfahrt besteht sehr rasch die Gefahr, dass Leib und Leben gefährdet werden. Es stellt sich dann immer die Frage, ob das fahrlässig in Kauf genommen wurde oder nicht. Das klar zu definieren und zu regeln, ist sehr schwierig. Auch ein Gesetz würde wohl juristische Auseinandersetzungen in solchen Fällen kaum verhindern.
Ist der Freispruch im aktuellen Fall für Skyguide trotzdem ein gutes Urteil?
Ja – und nicht nur für Skyguide, sondern auch für die Swiss und alle anderen Operateure in der Schweizer Flugindustrie. Sie haben die Bestätigung erhalten, dass man nicht bestraft werden sollte, wenn man über Fehler offen kommuniziert.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.