Schweizer Förderstiftungen schütten jedes Jahr sechs Milliarden Franken für gemeinnützige Zwecke aus. Das sei doppelt so viel wie bisher angenommen, sagt Katja Schönenberger, Geschäftsführerin von «Swiss Foundations», dem Verband der Schweizer Förderstiftungen.
SRF News: Warum schütten Förderstiftungen doppelt so viel aus als bislang gedacht?
Katja Schönenberger: Das Fördervolumen ist immer eine Hochrechnung. Die letzte Hochrechnung stammt aus dem Jahr 2002. Damals schätzte man, dass drei bis vier Milliarden ausgeschüttet werden. Anhand der aktuellen Daten der Eidgenössischen Stiftungsaufsicht geht man inzwischen davon aus, dass es rund sechs Milliarden Franken pro Jahr sind.
Warum ist es so viel mehr als vor zwanzig Jahren?
Vor allem, weil es mehr Stiftungen gibt und das Stiftungsvermögen gewachsen ist.
Wie viel die steuerbefreiten Stiftungen von ihrem Vermögen jedes Jahr ausgeben, ist ihnen überlassen. Es gibt in der Schweiz kein gesetzlich festgelegtes Minimum wie etwa in den USA. Warum nicht?
In der Schweiz wird von der Stiftungsaufsicht überwacht, wie aktiv Stiftungen sind. Wenn Stiftungen über ein, zwei Jahre kaum mehr Gelder ausschütten, kann die Stiftungsaufsicht aktiv werden. Sie hat damit angefangen, die Liquidation von Stiftungen, die passiv geworden sind, voranzutreiben.
Das dichte soziale Netz in der Schweiz hat auch viel mit unserer Stiftungslandschaft zu tun.
Die Stiftungslandschaft ist sehr vielfältig. Können Sie uns die Stiftungslandschaft Schweiz etwas abstecken?
Bevor es die obligatorische Krankenversicherung gab, haben sich Stiftungen oft im Gesundheitsbereich engagiert, sie waren für die Kranken da. Das hat sich verändert und weiterentwickelt. Heute fördern Stiftungen zum Beispiel die Wissenschaft. Auch Start-ups, die aus Hochschulen heraus entstehen, werden unterstützt. Es gibt viele Projekte in den Bereichen Kultur, Medienvielfalt oder Soziales. Dazu gehört etwa die Förderung von Frauenhäusern oder von Programmen gegen die Einsamkeit im Alter. Das dichte soziale Netz in der Schweiz hat auch viel mit unserer Stiftungslandschaft zu tun.
Werden Stiftungen auch in Blatten aktiv werden und die Menschen unterstützen, die ihr Hab und Gut verloren haben?
Dazu gibt es derzeit keine Zahlen. Was ich aber sicher weiss, ist, dass Stiftungen genau in solchen Momenten aktiv werden können, weil sie die Flexibilität haben. Sie können unkompliziert, rasch und flexibel in Krisen reagieren. Oftmals unterstützen sie Organisationen, die die Expertise haben, indem sie Geld geben oder ihr Netzwerk zur Verfügung stellen.
Förderstiftungen sind unabhängig – sie können auch Risiken eingehen oder experimentieren.
Warum übernehmen gemeinnützige Stiftungen Aufgaben, die auch der Staat übernehmen kann? Bei Stiftungen entscheiden Privatpersonen oder Institutionen, was gefördert wird. Das ist kein demokratischer Entscheid.
In den USA gibt es tatsächlich Stiftungen, die sehr viel Vermögen haben und sehr viel Macht ausüben können. In der Schweiz ist die Situation anders. Das maximale Fördervolumen einer Stiftung liegt bei vielleicht 50 bis 60 Millionen Franken. Stiftungen ergänzen eher das Handeln des Staates, als dass sie es ersetzen. Sie sind unabhängig vom Markt und unabhängig von politischen Entscheidungen. Sie können Risiken eingehen, können auch experimentieren. Denn sie haben das Kapital und sind niemandem verpflichtet, ausser ihrem Stiftungszweck. Gleichzeitig gibt es eine Tendenz, dass die Stiftungen vermehrt die Gesellschaft einbeziehen wollen bei der Frage, was gefördert werden soll.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.