Rund eine Milliarde Euro liegt im sogenannten Echo-Fonds – dem Topf, aus dem die EU humanitäre Hilfsprojekte finanziert. Schweizer Hilfsorganisationen erhalten jährlich um die 50 Millionen Euro aus dem Fonds. Jetzt ist Schluss: Brüssel hat die Unterstützung Schweizer Organisationen im Bereich humanitärer Hilfe beendet.
Trotz einiger Hinweise in den vergangenen Monaten sei der Beschluss Ende letztes Jahr dann letztlich doch völlig überraschend gekommen, sagt Mark Herkenrath. Er ist Direktor von Alliance Sud, der entwicklungspolitischen Arbeitsgemeinschaft von sechs grossen Schweizer Hilfswerken.
Eine Folge des Brexit
«Das ist ein einschneidender Eingriff. Humanitäre Entwicklungsorganisationen der Schweiz werden bestraft für politische Ränkespiele», so Herkenrath. Der Brexit habe nämlich alles ausgelöst, glaubt er. Viele internationale Hilfsorganisationen haben ihren Sitz in London.
Diese Hilfswerke will die EU nach dem Austritt Grossbritanniens aus der EU nicht weiter unterstützen – mit Folgen auch für das Nicht-EU-Land Schweiz: «Die EU will ein Zeichen setzen, dass sie auch Schweizer Organisationen vom Mandatspool ausschliesst», sagt Herkenrath.
Ganz ähnlich sieht das Manuel Bessler, Chef des Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe: «Hier spüren wir halt die Politik, welche die Rahmenbedingungen setzt. Dieser ist leider auch die humanitäre Hilfe unterworfen.»
Bessler betont, dass die Schweiz in dieser Angelegenheit nicht direkt Partei sei, sondern nur die EU auf der einen und die Hilfswerke auf der andern Seite. Aber wenn möglich, werde man die Schweizer Hilfswerke in der schwierigen Situation unterstützen, sagt Bessler. Vielleicht sei noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Kein zusätzliches Geld vom Bund
Mit zusätzlichem Geld vom Bund aber könnten die Hilfswerke sicher nicht rechnen, sagt Bessler: «Natürlich haben wir eine Reserve, um auf Notfälle zu reagieren – aber eben Notfälle, und nicht Budgetausfälle. Es ist für die Schweiz in der Tat nicht möglich, das zu kompensieren.»
So realistisch sind auch die Hilfswerke. Man sei schon froh, wenn der Bund nicht auch noch die Gelder für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit streiche, sagt Herkenrath: «Das wäre verheerend. Man muss die Schweizer Organisationen für die Arbeit, die sie leisten, auch würdigen und ihre Programme unterstützen.»
Hauptopfer sind nicht die Hilfswerke
Während Schweizer NGOs jetzt keine EU-Gelder mehr bekommen für humanitäre Hilfe, arbeitet der Bund weiterhin mit europäischen Hilfswerken zusammen. Dieses Ungleichgewicht müsste man vielleicht etwas genauer anschauen, findet Herkenrath, ohne allerdings in Protektionismus und Nationalismus zu verfallen.
Die Hauptopfer der neuen EU-Politik seien ja nicht die Schweizer Hilfswerke, sondern die Menschen in armen Ländern, die bis jetzt von deren Projekten profitieren konnten.