Diese Woche hatten Joan und Martin Fischer ihren letzten Arbeitstag auf dem Berg. Während 20 Jahren haben sie als Wetterbeobachter und Betriebsleiter der Internationalen Forschungsstation Jungfraujoch gearbeitet. «Wenn es um die weltweite Klimaforschung geht, kommen meist auch Daten vom Jungfraujoch vor. Es gibt keinen besseren Ort für Klimaforschung in Europa», sagt Martin Fischer.
Das macht mir etwas Angst.
Er hat in den letzten beiden Jahrzehnten so einiges beobachtet: «Es gibt mir zu denken, in welcher Geschwindigkeit sich hier alles verändert.» Für die Natur seien 20 Jahre eigentlich nicht viel. Die grossen Veränderungen in dieser kurzen Zeit machten ihm etwas Angst.
Die Folgen des Klimawandels hat er jeweils bereits am Morgen miterlebt. Die Terrasse des Sphinx-Observatoriums, auf über 3500 Metern über Meer, muss eigentlich jeden Morgen vom Schnee befreit werden. Im Sommer habe sich dies jedoch stark verändert.
In den letzten Jahren mussten sie in den Sommermonaten an gewissen Tagen gar nicht mehr Schneeschaufeln. «Den kann man grösstenteils schmelzen lassen», meint Fischer. In diesem Winter dagegen: «So viel Schnee wie in den letzten Tagen hatte es schon seit einigen Jahren nicht mehr.»
Für ihn ist klar: «Es ist keine Diskussion, ob der Klimawandel stattfindet oder nicht, das sieht man hier oben ganz massiv.» In seinem ersten Jahr auf dem Jungfraujoch habe er nur einmal erlebt, dass es im Sommer regnete. Mittlerweile regne es öfter. «Wenn es im Sommer einmal schneit, ist dies mehr Pflotsch», sagt Fischer. Das habe entsprechend grossen Einfluss auf den Aletschgletscher.
«Man sieht, dass die Dicke massiv abnimmt», sagt der Betriebsleiter der Forschungsstation. In den letzten Jahren sei der Gletscher stellenweise sogar auf dem Joch oben ausgeapert, also ohne Schnee gewesen. «Das ist schlecht, denn so bleibt keine Nahrung für den unteren Teil.»
Er habe sich auch jeweils aufgeschrieben, wann er die ersten Schmetterlinge auf dem Joch sah. Das sei zwar nicht wissenschaftlich untersucht worden, aber er habe immer früher Schmetterlinge beobachtet – inzwischen bereits im März.
Jeden Tag führten Fischers fünf Wetterbeobachtungen für Meteo Schweiz durch. Oder sie nahmen Luftproben für verschiedene Gruppen in Europa und überwachten den Betrieb der unzähligen Messgeräte.
Die Arbeit sei in den letzten Jahren technisch einfacher geworden. «Als wir anfingen, habe ich noch Daten auf Disketten geladen und verschickt.» Heute sind die Messgeräte mit dem Internet verbunden und Forscher auf der ganzen Welt können von ihrem Büro aus mit den Daten vom Berg arbeiten. Deswegen würden einige Forscher gar nicht mehr aufs Jungfraujoch kommen.
Es sei unglaublich, was man mittlerweile alles messen könne. So seien auf dem Jungfraujoch Gase des Vulkanausbruchs in Island oder der Nuklearkatastrophe von Fukushima gemessen worden. «Das zeigt, dass wir alle auf derselben Kugel sitzen», sagt Fischer.
Hat ein Tourist etwas zu viel Parfüm aufgetragen, wird das gemessen.
Die Messgeräte seien sehr sensibel. «Wenn jemand auf der Terrasse eine Zigarette raucht, oder eine Frau etwas zu viel Parfüm aufgetragen hat, wird das auch gemessen», sagt Martin Fischer. Deshalb würden die Forscher häufig auf Daten aus der Nacht zurückgreifen, weil am Tag die Touristen einen Einfluss haben.
Immerhin: Dank der Corona-Krise konnte die Wissenschaft nun häufiger auch «saubere» Daten sammeln, ohne Verfälschungen durch den Tourismus.