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Frauen in der Politik Elisabeth Kopp: «Da wusste ich, das wird noch ein Riesen-Kampf»

2019 war das Jahr des Frauenstreiks – und das Jahr der Frauen in der Politik. Noch nie wurden so viele Frauen bei den nationalen Wahlen ins Bundesparlament gewählt. Alt Bundesrätin Elisabeth Kopp beobachtet die Bundespolitik noch immer sehr aufmerksam, besonders was Frauen angeht.

Elisabeth Kopp

Alt Bundesrätin

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Elisabeth Kopp ist FDP-Mitglied. Sie war, als erste Frau der Schweiz, von 1984 bis 1989 Mitglied des Bundesrates. Sie wurde 1988 zur Vize-Bundespräsidentin gewählt. Ein politischer Skandal im Herbst 1988 beendete Kopps Amtszeit im Januar 1989 vorzeitig.

SRF News: War 2019 das Jahr der Frauen?

Elisabeth Kopp: Das kann man so sagen. Mein Schicksal war es, überall die Erste und die Einzige zu sein. Als Gemeindepräsidentin, später im Bildungsrat – immer alleine mit sechs Männern. Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können, als eine zweite Frau im Bundesrat – egal von welcher Partei.

Was wäre anders gewesen?

Es wäre nicht mehr so exklusiv gewesen. Als ich gewählt wurde, musste ich zum Beispiel nach vorne gehen und die Wahlannahme-Erklärung abgeben. Ich habe mir da gesagt: «Du musst es in jeder Beziehung so gut machen, dass keiner mehr sagen kann, Frauen könnten das nicht.»

Wie war das bei Bundesratssitzungen als einzige Frau?

Als ich zwei oder drei Jahre im Bundesrat war, kam eine «Schweizer Illustrierte» heraus mit mir auf dem Titelbild. Darunter stand: «Die neue Nummer 1 im Bundesrat ist eine Frau: Elisabeth Kopp». Da habe ich mir gedacht: «Jetzt habt ihr mir ein ganz faules Ei gelegt!»

Das haben diese Männer überhaupt nicht ertragen – und es mich auch spüren lassen.

Bei der nächsten Bundesratssitzung hatte ich nicht das Gefühl, ich käme in einen Kühlschrank, sondern in einen Tiefkühler – so war die Stimmung. Das haben diese Männer überhaupt nicht ertragen – und es mich auch spüren lassen.

Haben Sie viele Reaktionen von Frauen bekommen , denen es wichtig war, dass eine Frau Bundesrätin wurde?

Eine Zeit lang habe ich viele Interviews gegeben für Matura-Arbeiten. Die Maturandinnen wollten alle wissen, warum es so lange gedauert hat, bis Frauen nur schon wählen konnten. Da habe ich jeweils gesagt: Die anderen Länder hatten es einfacher. Da konnte die Regierung oder das Parlament die Gleichberechtigung beschliessen. Das ging in der Schweiz nicht. Es brauchte eine Abstimmung und die Mehrheit der Männer.

Da sagte mir ein Kollege: ‹Weisst du, Elisabeth, ich verstehe nicht, warum du dich so für das Frauenstimmrecht einsetzt. Du bist doch sonst eine normale Frau.›

1959 gab es dann die erste Abstimmung. Ich war an der Universität und wir diskutierten viel darüber. Da sagte mir ein Kollege: «Weisst du, Elisabeth, ich verstehe nicht, warum Du Dich so für das Frauenstimmrecht einsetzt. Du bist doch sonst eine normale Frau.» Da habe ich erwidert: «Genau, darum setze ich mich ja so ein.» Das muss man sich einmal vorstellen: Ein Jus-Student, der mir sagt, ich sei keine normale Frau, weil ich mich für die Gleichberechtigung einsetze. Da wusste ich: Das wird noch ein Riesen-Kampf.

Wenn Sie jetzt die Politik mitverfolgen, denken Sie, dass sich vieles so entwickelt hat, wie Sie sich das gewünscht haben.

Ja. Das fängt schon an bei der Anzahl Frauen in politischen Ämtern an. Für sie ist das wohl aber selbstverständlich, sie haben den Kampf gar nicht miterlebt.

Frauen setzen in gewissen Situationen andere Prioritäten.

Es ist ja auch nicht die Frage, ob sie es gleich gut oder besser können als die Männer. Frauen setzen aber in gewissen Situationen andere Prioritäten.

Welche weiblichen Vorbilder hatten Sie eigentlich?

Es gab ja noch keine in der Schweiz. Es gibt den Spruch: Eine erfolgreiche Frau muss aussehen wie ein Mädchen, sich benehmen wie eine Dame, denken wie ein Mann und schuften wie ein Pferd. Das gibt schon etwas die Wirklichkeit wieder.

Sind Sie eine Feministin?

Es kommt darauf an, was man darunter versteht. Wenn man damit eine Frau meint, die sich für die Frauen einsetzt, dann bin ich eine Feministin. Wenn man darunter eine Frau versteht, die nur das im Kopf hat, dann bin ich keine.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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