- 2017 kam es bei der Räumung eines besetzten Hauses an der Effingerstrasse 29 in Bern zu schweren Krawallen.
- Das Berner Obergericht hat die 16 Angeklagten nun erneut vom Vorwurf der Gewalt und Drohung gegen Beamte freigesprochen.
- Die Besetzerinnen und Besetzer wurden lediglich des Hausfriedensbruchs für schuldig befunden.
Es waren denkwürdige Szenen, die sich am 22. Februar 2017 an der Effingerstrasse 29 in Bern abspielten: Rund 20 Besetzerinnen und Besetzer des Kollektivs mit dem Namen «Oh du Fröhliche» hatten sich in den oberen Stockwerken des Hauses verschanzt.
Besetzung an der Effingerstrasse: Ein Blick zurück
Die Zugänge waren verbarrikadiert, ein Arsenal von Gegenständen lag bereit, um sich gegen die Polizei zu verteidigen. Feuerwerksbatterien, Pfefferspray, Sturmhauben, Messer, Funkgeräte, Metallspeere, selbst gebaute Flammenwerfer.
Die Polizei stürmte das Haus frühmorgens. Die Zusammenstösse waren heftig: Die Hausbesetzerinnen und -besetzer bewarfen die Polizisten mit schweren Gegenständen. Im Treppenhaus zündeten sie Feuerwerkskörper und versprühten Farbe und Flüssigkeiten.
Obergericht bestätigt Freispruch im Hauptanklagepunkt
Drei Wochen dauerte der erstinstanzliche Prozess im Sommer 2021. Das Gericht sprach die 16 angeklagten Personen damals lediglich wegen Hausfriedensbruch schuldig, nicht aber in den Hauptanklagepunkten, nämlich Gewalt und Drohung gegen Beamte. Deshalb zog die Staatsanwaltschaft das Urteil an das Berner Obergericht weiter.
Es ist unbefriedigend, dass die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.
Das Obergericht hat das Urteil am Mittwoch bestätigt. Wie ist es möglich, dass die Angeklagten trotz der Gewalt gegen Polizeikräfte freigesprochen werden? Die Staatsanwaltschaft konnte die Gewalttaten nicht einzelnen Personen zuordnen: «Es ist unbefriedigend, dass die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden können. Aber es wäre unerträglich, Unschuldige zu verurteilen», sagte der Richter bei der Urteilsverkündung.
Die allermeisten Angeklagten entschieden sich, im Verfahren zu schweigen. «Moralisch mag das verwerflich sein, aber es ist ihr Recht», sagte der Richter dazu. Man urteile nicht über das moralische Verhalten. Offen bleibt auch, wo das Pyro- und Vermummungsmaterial und Wurfgeschosse gelagert wurden, und wer davon wusste.
Einsatzkräfte mit massiver Gewalt konfrontiert
Weiter äussert sich der Richter zum umstrittenen Polizeieinsatz, der in Gewaltexzesse eskalierte. Das Verhalten der Polizeibeamten sei unter Einbezug der gewählten Taktik richtig gewesen. Ob das Vorgehen taktisch geschickt gewesen sei oder nicht, sei für das Gericht bei der Urteilsfindung irrelevant. «Die Einsatzkräfte waren mit massiver Gewalt konfrontiert. Aber niemand kann sagen, wie viele und wer sich an der Gewalt beteiligt hat», so das Gericht weiter.
Der Kanton Bern muss die Verfahrenskosten übernehmen. Das zweitinstanzliche Verfahren kostete insgesamt 200'000 Franken inklusive Anwaltskosten.