Darum geht es: Der Bundesrat hat die Kriterien für die Aktivierung der Schutzklausel festgelegt. Die Schweiz und die EU einigten sich im Dezember auf eine neu konzipierte Schutzklausel im Freizügigkeitsabkommen. Sie gestattet es der Schweiz, den freien Personenverkehr temporär einzuschränken. «Wir können die Schutzklausel aktivieren, wenn die Zuwanderung aus der EU zu ernsthaften sozialen oder wirtschaftlichen Problemen in der Schweiz führt», sagt Bundesrat und Justizminister Beat Jans an der Medienkonferenz.
So prüft der Bundesrat den Einsatz der Schutzklausel: Der Bundesrat will Schwellenwerte für die Nettozuwanderung aus der EU, die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die Zunahme der Arbeitslosigkeit oder die Sozialhilfequote festlegen. Wird einer dieser Werte landesweit überschritten, muss der Bundesrat prüfen, ob die Schutzklausel aktiviert werden soll. Die Landesregierung stützt sich bei der Prüfung der Schutzklausel auf die Indikatoren Zuwanderung, Arbeitsmarkt, soziale Sicherheit, Wohnungswesen und Verkehr. An ihnen soll abgelesen werden können, ob die Personenfreizügigkeit zu schwerwiegenden sozialen oder wirtschaftlichen Problemen führt oder nicht. Auch Kantone können beantragen, dass auf die Klausel zurückgegriffen wird, wenn auf ihrem Gebiet schwerwiegende Probleme auftreten. In solchen Fällen sind regionale Massnahmen möglich.
Das passiert bei der Anwendung der Schutzklausel: Wendet der Bundesrat die Schutzklausel an, muss er beim gemischten Ausschuss geeignete Schutzmassnahmen beantragen. Mögliche Massnahmen sollen ins Ausländergesetz geschrieben werden. Geregelt wird überdies, inwiefern die Schweiz den freien Personenverkehr vorübergehend einschränken darf. Vorgesehen sind etwa die Festlegung von Höchstzahlen bei der Zuwanderung oder ein Inländervorrang.
Aufenthaltsrecht kann eingeschränkt werden: Möglich wäre es laut Bundesrat auch, das Aufenthaltsrecht beim Verlust der Arbeitsstelle zu beschränken oder das Aufenthaltsrecht für die Suche nach einem Job einzuschränken. Solche Schutzmassnahmen können für das ganze Land oder für einzelne Kantone vorgeschlagen werden. Kommt der gemischte Ausschuss zu keinem Entscheid, kann der Bundesrat das Schiedsgericht anrufen. Wenn dieses anerkennt, dass schwerwiegende Probleme durch die Zuwanderung bestehen, kann der Bundesrat die vorgeschlagene Schutzmassnahme ergreifen.
Ausgleichsmassnahmen sind möglich: Wird die Schutzklausel aktiviert und es kommt dadurch zu einem Ungleichgewicht, kann die EU Gegenmassnahmen ergreifen. Diese müssen verhältnismässig sein und dürfen nur die Personenfreizügigkeit betreffen. Zudem kann die Schweiz auch ohne Zustimmung des Schiedsgerichts Schutzmassnahmen treffen. In diesem Fall könnte aber Brüssel ein Schiedsgerichtsverfahren eröffnen und Ausgleichsmassnahmen ergreifen. Diese könnten neben dem Personenverkehr noch andere Binnenmarktabkommen betreffen – ausgenommen wäre die Landwirtschaft.
So geht es weiter: «Aktuell laufen die Bereinigung und Übersetzung der Texte», sagt Beat Jans. Sobald die Verhandlungen dann formell abgeschlossen seien, werde der Bundesrat die Vernehmlassung eröffnen. «Im Frühling 2026 will der Bundesrat der Bundesversammlung die Botschaft unterbreiten», so der Justizminister.