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Ambulante Operationen: Wer trägt die Verantwortung?
Aus Echo der Zeit vom 21.02.2019. Bild: Keystone
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Frisch operiert nach Hause Pfuscht der Bund den Ärzten ins Handwerk?

Ambulant vor stationär: So will Gesundheitsminister Alain Berset Kosten sparen. Chirurgen kritisieren die neue Praxis.

Ein Mann Mitte 50 muss wegen eines Leistenbruchs operiert werden. Eingeweideteile treten aus dem Bauchraum aus und wölben sich bei der Leiste unter der Haut vor. «Vor einigen Jahren wurde dieser Eingriff noch stationär durchgeführt, mit einem Spitalaufenthalt von vier bis sieben Tagen», sagt der Chirurg Philippe Kirchhoff.

Heute muss er den Eingriff ambulant durchführen. So schreibt es die neue Bundesregelung «Ambulant vor stationär» vor.

Dem Chirurgen wird die Entscheidungsgrundlage genommen, die Verantwortung wird ihm aber übertragen.
Autor: Philipp Kirchhoff Chirurg

Kirchhoff operierte den Mann an einem Tag Anfang Januar gegen Mittag bei Vollnarkose. Nach drei Stunden wurde er entlassen. Gegen Abend kollabierte er zu Hause auf der Toilette, die Nacht verbrachte er auf der Notfallstation.

Ambulant vor stationär – kurz erklärt

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Mit der Strategie will Gesundheitsminister Alain Berset Kosten sparen. Seit dem 1. Januar gilt eine Liste mit sechs Operationsbereichen, die nur noch ambulant durchgeführt werden dürfen. Die Operation im Spital bezahlt die obligatorische Krankenpflegeversicherung nicht mehr. Das betrifft etwa Krampfadernoperationen, die Entfernung der Mandeln, Eingriffe an der Gebärmutter oder die Operation eines Leistenbruchs. 90 Millionen Franken sollen so eingespart werden.

Für Kirchhoff zeigt der Fall, welche Probleme die neue Regelung aufwerfen kann: «Dem Chirurgen wird die Entscheidungsgrundlage genommen, die Verantwortung wird ihm aber übertragen.» Gesetzlich sei indes nicht festgelegt, wer die Verantwortung für allfällige Komplikationen trage.

In die gleiche Kerbe schlägt Josef Brandenberg, Präsident des Chirurgenverbandes FMCH. Ob ambulant oder stationär sei ein medizinischer Entscheid des Operateurs und des Anästhesisten: «Eine Liste zu verordnen, ist grundsätzlich nicht korrekt.»

Viele Fragen seien offen: «Wir wissen nicht, ob und wie viele Komplikationen es gibt.» Und es werde wohl eine intensivere Nachbetreuung nötig. Hausärzte und Spitex hätten dann mehr zu tun.

Eine Liste zu verordnen, ist grundsätzlich nicht korrekt.
Autor: Josef Brandenberg Präsident des Chirurgenverbandes FMCH

Wie sich die Liste konkret auswirkt, will das Bundesamt für Gesundheit (BAG) in einem dreijährigen Monitoring herausfinden. Derweil müssen sich die Spitäler auf das ambulante Operieren umstellen.

Das bestätigt Ryan Tandjung, beim BAG zuständig für die neue Regelung. Es brauche zwar keine komplett neue Infrastruktur. Aber es sei klar, dass eine Verschiebung vom stationären in den ambulanten Bereich Anpassungen nötig mache.

Ambulantes Operieren lässt sich nicht mit dem stationären OP-Betrieb mischen: Darin sind sich alle Akteure einig. Es braucht ein spezielles Setting. Die Spitäler haben sich auf diese Herausforderung unterschiedlich eingestellt.

Unterschiedliche Auswirkungen

Ein Beispiel ist der Kantonsspital Aarau. Direktor Robert Rhiner erläutert: «Die Tagesklinik wurde etwas erweitert. Wir brauchen mehr Liegeplätze.» Allerdings verteilten sich die Patienten über den Tag: «Deswegen war der Ausbau sehr moderat.»

Etwas anders sieht es im Spital Emmental aus. Hier hat man an den zwei Standorten Burgdorf und Langnau schon einiges in die Infrastruktur für das ambulante Operieren investiert, wie Direktor Tony Schmid erläutert: «In Burgdorf etwa haben wir eine separate Räumlichkeit geschaffen mit zwei ambulanten Operationssälen und einer zugehörigen Tagesklinik.»

Was will der Patient?

Mit der optimalen Infrastruktur ist es aber nicht getan. Die Nachbetreuung zu Hause muss ebenso gut organisiert sein. Trotzdem kann es schiefgehen: Chirurg Kirchhoff war für seinen Patienten mit dem Leistenbruch rund um die Uhr erreichbar, doch er konnte nicht helfend eingreifen, als die Ehefrau anrief.

Für ihn als Arzt frustrierend, für den Patienten und dessen Familie ein Drama.

Kirchhoff meint zu wissen, was viele Patienten brauchen: «Er wünscht eine gut umsorgte Betreuung, für die ersten 24 bis 48 Stunden im Spital.»

Die gesunden, fitten Patienten, die beruflich stark eingebunden sind und unverzüglich nach Hause wollen, sind nach der Erfahrung des Chirurgen klar in der Minderheit.

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