Ein Mann parkiert sein Auto mitten auf dem Bundesplatz und will, in Kampfmontur gehüllt, ins Bundeshaus rein. Nach seiner Festnahme reagiert ein Schnelltest positiv auf Spuren von Sprengstoff.
Der Betroffene leidet offenbar an einer psychischen Krankheit. Seine Mutter erklärte gegenüber Westschweizer Medien, ihr Sohn habe nichts Böses vorgehabt und sei im Glauben nach Bern gefahren, dort eine militärische Beförderung zu erhalten. Bekannte beschreiben den Mann in Westschweizer Medien als Militär-Fan seit der RS.
Ein Mensch verliert den Bezug zur Realität und wird zur potenziellen Gefährdung für sein Umfeld. Was sind die juristischen und therapeutischen Folgen? Eine kurze Einordnung.
Befindet sich der Mann in Untersuchungshaft? Nein. Weil bei ihm Sprengstoffspuren gefunden wurden, ermittelt zwar die Bundesanwaltschaft – doch zurzeit ist der Mann in fürsorgerischer Unterbringung (FU). Diese haben die Behörden angeordnet. Zu seinem aktuellen Aufenthaltsort schweigen sie. Wahrscheinlich ist, dass er in einer geschlossenen Anstalt ist.
Was ist die fürsorgerische Unterbringung (FU)? Artikel 426 im Zivilgesetzbuch regelt die Massnahme, in deren Zentrum die Pflege und Behandlung von Betroffenen steht. Eine Ärztin oder ein Arzt kann die Einweisung einer psychisch auffälligen Person während maximal sechs Wochen anordnen – und zwar auch gegen deren Willen. «Wenn man jemandem die Freiheit entzieht, muss das einen Grund haben», erklärt Dr. Benjamin Brägger, Justizvollzugsexperte. Voraussetzung ist, dass eine psychische Störung, geistige Beeinträchtigung oder schwere Verwahrlosung vorliegt und die nötige Behandlung oder Betreuung nicht anders erfolgen kann. Die Massnahme kann bei allen natürlichen Personen angeordnet werden – also auch bei Minderjährigen.
Können von einer FU Betroffene eine Institution verlassen? In einigen Fällen: Ja. Die fürsorgerische Unterbringung erfolgt in einer Einrichtung. Diese kann geschlossen oder offen sein. Äussert eine Person während der Unterbringung ausserdem den Wunsch, die Institution zu verlassen, geht der Fall an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). In letzter Instanz muss ein Gericht klären, ob der Freiheitsentzug vertretbar ist.
Greifen die Behörden erst bei einer Eskalation ein? Fälle wie der vorliegende in Bern dürften eine Extremform darstellen. Trägt jemand eine Waffe auf sich, spricht Drohungen aus oder wird gar gewalttätig, kommt das Strafrecht zum Tragen. Im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung sind beispielsweise Fälle von älteren Personen typisch, die sich die notwendige persönliche Pflege nicht mehr geben, sich also etwa nicht mehr waschen, die Wohnung verwahrlosen lassen oder keine Nahrung zu sich nehmen. Auch Drogen und Alkohol spielen in diesem Zusammenhang oft eine Rolle. Ist jemand urteilsfähig, muss regelmässig eine Selbstgefährdung vorhanden sein, um eine FU anzuordnen.
Wie umstritten ist die FU? Kritiker sehen ein System ausser Kontrolle. Im vergangenen Jahr wurden 16'000 Menschen zwangsweise eingewiesen. Das sind 40 Personen pro Tag. Die Zahlen seien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern viel zu hoch, argumentiert die Stiftung Pro Mente Sana. Zwischen den einzelnen Kantonen zeigen sich zudem deutliche Unterschiede. Während in Appenzell Innerrhoden nur 0.72 Fälle einer fürsorgerischen Unterbringung pro 100'000 Einwohner erfolgen, sind es in Zürich 2.72.