Die rund 100 Jahre alte Dampflok HG 4/4 mit der Seriennummer 708 ist zurück – und wie: Ihr Kamin stösst eine mächtige Rauchwolke aus, die sich über die Furka-Bergstrecke legt. Dampf zischt aus den Ventilen, als würde die Maschine atmen.
Es ruckelt, es stinkt. «Da geht mir das Herz auf», frohlockt ein Passagier bei der Jungfernfahrt am Donnerstag. «Man muss dreckiger aus dem Waggon kommen, als man reingegangen ist», schmunzelt er. Erstmals fährt die stärkste Schmalspur-Dampflok Europas nun im Regelverkehr über die Furka-Bergstrecke, die von Realp im Kanton Uri bis Oberwald im Wallis führt.
Aus Vietnam auf die Furka-Bergstrecke
Die Lok 708, wie ihre Schwester mit der Seriennummer 704, hat eine bewegte Geschichte. Sie wurde in den 1920er-Jahren in der Lokomotiv- und Maschinenfabrik SLM Winterthur gebaut, verkehrte aber nie in der Schweiz. Sie wurde direkt nach Indochina, dem heutigen Vietnam, geliefert, das damals eine französische Kolonie war.
«Back to Switzerland»: So wurden die Loks aus Vietnam geholt
-
Bild 1 von 5. Die in den 1920er-Jahren gebauten Furka-Loks standen jahrelang in einem Depot in den Bergen Vietnams. Bildquelle: ZVG/DFB.
-
Bild 2 von 5. Die Loks wurden 1990 im Rahmen der Aktion «Back to Switzerland» in die Schweiz zurückgeholt. Bildquelle: ZVG/DFB.
-
Bild 3 von 5. Auf einem Anhänger wurden die Loks durch die Berge Vietnams transportiert. Eine Herkulesaufgabe. Bildquelle: DFB/ZVG.
-
Bild 4 von 5. Durch Reisfelder ging es Richtung Süden. Bildquelle: ZVG/DFB.
-
Bild 5 von 5. Schliesslich wurden sie per Bahn zu einem Hafen transportiert. Ein Frachtschiff brachte sie dann zurück in die Schweiz. Bildquelle: ZVG/DFB.
Jahrelang verkehrten die Loks 704 und 708 bei Da Lat auf einer Gebirgsstrecke. Nach dem Vietnamkrieg waren die Geleise zerstört. So rosteten die Zahnrad-Loks jahrelang im südvietnamesischen Hochland vor sich hin. 1990 holten sie Schweizer Bahn-Enthusiasten mit der Aktion «Back to Switzerland» in die Schweiz zurück.
In der Lok-Restaurierung stecken 60'000 Stunden Freiwilligenarbeit.
Daraufhin wurden die Dampfloks jahrelang in Chur und Uzwil revidiert. Die Restaurierung der Lok 708 dauerte über 16 Jahre: «Da stecken 60'000 Stunden Freiwilligenarbeit drin», sagt Karl Reichenbach, Geschäftsführer der Furka Dampfbahn AG.
Die andere Lokomotive, mit der Nummer 704, fährt bereits seit 2019 auf der Bergstrecke und entzückt Bahn-Fans. «Es macht eine Riesenfreude, dass wir jetzt beide Loks in Betrieb haben», so Reichenbach.
100 Franken für ein Ticket
Von Zug-Nerds bis zu Naturliebhaberinnen: Pro Jahr fahren in den vier Sommermonaten rund 25'000 Menschen über die Furka-Bergstrecke. Für die Bahnfans ist eine Dampffahrt kein Schnäppchen. Ein Ticket in der zweiten Klasse kostet bis zu 100 Franken.
900 Freiwillige arbeiten ehrenamtlich für die Furka-Dampfbahn. Hinter dem grossen Engagement steckt viel Enthusiasmus: «Wir sind alles ein bisschen Spinner», sagt Reichenbach.
Doch Freiwilligenarbeit allein reicht nicht. Viele Arbeiten würden an Externe vergeben, dazu kommen Materialkosten. «Darum ist der Preis mehr als gerechtfertigt», führt der Geschäftsführer der Furka-Dampfbahn aus.
Einer Passagierin gefällts: «Die Fahrt mit der Lok ist wunderschön, die Fahrt über den Pass ist ein Riesenerlebnis.»
Die Lok stampft derweil weiter den Furka-Pass empor – der Start in ihr neues Loki-Leben ist geglückt.