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Gefährliche Cyanobakterien So verbreitet sind Blaualgen in Schweizer Seen

Blaualgen sind in den Schweizer Seen wieder auf dem Vormarsch. Am Samstag ist ein Hund nach einem Bad im Neuenburgersee mit Verdacht auf eine Blaualgen-Vergiftung gestorben. Deshalb mahnen die Behörden zur Vorsicht. Die wichtigsten Antworten zu Cyanobakterien im Überblick.

Verbreitung der Blaualgen: «Für eine Massenvermehrung (Blüte) von Cyanobakterien sind ruhiges, warmes Wasser, starke Sonneneinstrahlung und ausreichend Nährstoffe (Stickstoff und Phosphor) erforderlich», heisst es auf der Homepage des Wasserforschungsinstituts der ETH (Eawag). Wenn die Bedingungen stimmen, können sich Blüten innert Tagen oder Wochen bilden. «Aktuell beobachten wir im Greifensee (ZH) und im Zürichsee, dass der See sehr klar ist», schreibt Andri Bryner, Eawag-Mediensprecher, auf Anfrage. Dadurch dringe viel Licht an den Grund, wodurch Kiesel- und Blaualgen stark wachsen könnten.

Was sind Blaualgen?

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Microcystis, eine Gattung der Cyanobacterien, unter dem Mikroskop.
Legende: Microcystis, eine Gattung der Cyanobacterien, unter dem Mikroskop. Eawag

«Aus wissenschaftlicher Sicht sind Blaualgen keine Algen, sondern Bakterien, da sie keinen echten Zellkern besitzen», schreibt das Wasserforschungsinstitut der ETH (Eawag) auf seiner Homepage. «Cyanobakterien, wie sie korrekterweise genannt werden, gehören zu den ältesten Lebensformen der Erde und man nimmt an, dass sie die ersten Organismen waren, die ihre Energie durch Fotosynthese gewinnen konnten und Sauerstoff in die Atmosphäre abgaben.» In Seen kommen Cyanobakterien laut Eawag vor allem im Sommer und Herbst vor.

Einfluss der Seetemperatur: «Wärmeres Wasser kann die Wachstumsrate von Cyanobakterien erhöhen», sagt Bryner. Cyanobakterien profitierten von den länger anhaltenden sommerlichen Bedingungen, die ihr Wachstum begünstigen und von der fehlenden Wasserdurchmischung, die verhindere, dass sie absinken. Als «optimale» Temperatur einer Vermehrung der Cyanobakterien werde in einer niederländischen Studie 27 Grad identifiziert.

Gefahren für Menschen und Tiere: «Nicht alle Cyanobakterien-Blüten sind toxisch», erklärt Bryner. Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation besagten, dass milde Symptome wie Hautausschläge und gerötete Augen bei 20'000 Cyanobakterien-Zellen pro Milliliter auftreten könnten. Wenn die Zahl 100'000 Zellen pro Milliliter betrage, könne die Toxin-Konzentration kritische Werte erreichen, was zu Atembeschwerden und grippeähnlichen Symptomen führen könne. Gefährlich werde es, wenn Wasser geschluckt werde, bei Konzentrationen ab 10 bis 100 Millionen Zellen pro Milliliter. Das könne bei Badenden zu Vergiftungssymptomen wie Übelkeit und Durchfall führen. «Dann ist aber das Wasser derart trüb, dass Baden zum Glück kaum attraktiv ist.»

Tiere, vor allem Hunde, würden viel wahrscheinlicher vergiftet als Menschen, da sie am Ufer grössere Mengen Wasser trinken und nach dem Schwimmen ihr Fell lecken. Die Kombination aus der höheren Wasseraufnahme und ihrem relativ geringen Körpergewicht stelle ein besonderes Risiko dar.

Das sagen die Kantone St. Gallen und Zürich: «Derzeit sind uns keine Blaualgenblüten im Kanton St. Gallen bekannt», schreibt Vera Leib, Leiterin Abteilung Gewässerqualität (SG) auf Anfrage. Seit dem ungewöhnlichen Blaualgen-Vorkommen 2021 am Zürich-Obersee finde ein vertieftes Monitoring statt. Zudem hat der Kanton eine Informations-Kampagne lanciert, um über Blaualgen aufzuklären und auf deren Giftigkeit hinzuweisen. Eigenverantwortung sei wichtig, da aufgrund der unvorhersehbaren Entwicklung von Blaualgenblüten keine zeitlich und örtliche Beurteilung über den ganzen Kanton möglich sei, sagt Leib. «Es besteht kein Grund, vorsorglich Gewässer zu meiden», entwarnt sie in der aktuellen Situation.

«Blaualgen treten spontan auf, weshalb man um den ganzen Greifensee Messstationen aufstellen müsste», erklärt Martin Brunner, Kantonschemiker (ZH). Seit Mai sind jedoch rund um den Greifensee Informationstafeln aufgestellt, die auch den ganzen Sommer die Bevölkerung aufklären sollen. Ziel sei, dass die Bevölkerung die Gewässersituation selbst beurteilen könne. «Wenn man knietief im Wasser steht und die Füsse nicht sieht, sollte man nicht baden gehen», sagt Brunner. Dies gelte auch für Hunde.

SRF 4 News, 20.06.2022, 21 Uhr ; 

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