Woche für Woche rollt ein Güterzug mit tonnenweise Chlor von Frankreich herkommend durch dicht besiedeltes Gebiet in der Romandie – bis zu den Produktionsstätten von Lonza und Syngenta im Wallis. Dies ist einer der gefährlichsten Transporte auf Schweizer Schienen. Denn, wenn ein Kesselwagen entgleist und ein Hindernis entlang der Strecke einen Wagen aufschlitzt, käme es zur Chemiekatastrophe.
430 solcher Hindernisse hat die SBB entlang der Strecke von Genf ins Wallis gezählt – so etwa alte Betonsockel, Zäune oder Panzersperren. Das alles sind potenzielle Todesfallen, wenn ein Chlortransport entgleist.
Vor drei Jahren entschieden SBB, Bund und der Verband der chemischen Industrie (Science Industries), dass die Hindernisse wegsollen. Vor wenigen Tagen nun entschieden sie sich um: Die Hindernisse bleiben. «Nicht mehr geplant ist ein eigenes Projekt zur Entfernung möglicher Hindernisse», bestätigt Daniel Bonomi vom Bundesamt für Umwelt.
Tempolimit 40 km/h
Das Projekt hätte 6.5 Millionen Franken gekostet. Syngenta und Lonza hätten die Kosten tragen müssen, doch das ist nun vom Tisch. Grund sei eine andere, bereits getroffene Sicherheitsmassnahme. Chlorzüge fahren demnach nur noch mit 40 Kilometern pro Stunde.
Man kann davon ausgehen, dass bei einem Bahnunfall mit 40 km/h die Kesselwagen nicht aus den Geleisen geworfen werden.
«Aufgrund internationaler Untersuchungen kann man berechtigt davon ausgehen, dass bei einem Bahnunfall mit 40 km/h die Kesselwagen nicht aus den Geleisen geworfen werden», begründet Bonomi. Ursprünglich war beides – also Tempolimit 40 und die Beseitigung der Hindernisse – geplant. Beides zusammen sei nicht nötig, das hätten neue Berechnungen gezeigt, sagt Bonomi.
Unverständnis bei den Grünen
Kein Verständnis dafür hat Lisa Mazzone. Die Vizepräsidentin der Schweizer Grünen kämpft im Nationalrat seit Längerem gegen die Chlortransporte. «Das ist eine sehr unvollständige Umsetzung», kritisiert sie. Die Gefahr werde dadurch nicht genügend eingedämmt, «und das ist nicht akzeptabel.»
Syngenta und Lonza müssten das Chlor direkt im Wallis herstellen, statt unter Risiken zu importieren, verlangt Mazzone. Das habe man geprüft, erwidert Bundesvertreter Bonomi, aber «es wäre nicht wirtschaftlich». Die in der Schweiz benötigten Mengen seien schlicht zu klein.
Doch davon zeigt sich die Genfer Grünen-Politikerin Mazzone wenig beeindruckt: «Wir sprechen über Firmen, die Umsätze in Milliardenhöhe erzielen. Das sind nicht arme Firmen.» Sie will nun die Kantone Genf und die Waadt einschalten, die Kantone also, die am stärksten von den Chlortransporten betroffen sind.