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Gegen das Geldspielgesetz Hacker warnen vor Netzsperren

Ausländische Online-Casinos sollen gesperrt werden. Dies könnte zu weiteren Netzsperren führen, befürchten Hacker.

Dienstagabend in einem Industriegebäude beim Güterbahnhof in Bern: Hier findet das wöchentliche Treffen einer Berner Hackerinnen- und Hacker-Gruppe statt. Neun junge Menschen sitzen mit ihren Laptops an einem Tisch. Sie tragen dunkle Kapuzenpullis, Bärte, Piercings. Man ist sich einig: Netzsperren soll es nicht geben.

Hernani Marques vom Chaos-Computer-Club Schweiz ist auch da. Er öffnet seinen Laptop und loggt sich ins Netzwerk der Universität Freiburg ein. Diese sperrt gewisse Webseiten, so etwa jene von Tor. Dieser sei ein Browser, mit dem man sich anonym im Internet bewegen könne – auch in den dunkleren Bereichen, dem sogenannten Darknet, sagt Marques. «Wenn ich jetzt mit dem Safari-Browser auf die Tor-Seite will, heisst es, diese könne nicht geöffnet werden.»

Ein Umweg über Frankreich

Doch diese Netzsperre sei ganz einfach zu umgehen, erklärt Marques. Er öffnet einen anderen Browser und schaltet die VPN-Funktion ein. Diese lässt die Anfrage über eine andere IP-Adresse im Ausland laufen, in diesem Fall über Frankreich. «Das ist ein Klick.» Er tippt wieder «Tor» ein. «Die Seite funktioniert jetzt, weil wir über Paris gehen.»

Auf einem Laptop läuft ein Glücksspiel.
Legende: Netzsperren sollen Schweizer Spielern den Zugang zu ausländischen Online-Casinos verwehren. Keystone

Da Netzsperren so einfach zu umgehen sind, seien sie wirkungslos: So lautet ein Argument der Gegner des Geldspielgesetzes. Mit diesem Gesetz sollen ausländische Online-Zockerspiele gesperrt werden, damit Gambler auf Schweizer Geldspielplattformen zocken müssen. Diese liefern Gewinne an Sport- und Kulturvereine ab und sind verpflichtet, die Spielsucht zu bekämpfen.

Wir bauen hier erstmals eine Zensurinfrastruktur auf.
Autor: Hernani Marques Chaos-Computer-Club Schweiz

Sperren bei Filmen und Musik befürchtet

Die jungen Hacker des Chaos-Computer-Clubs warnen aber vor staatlich verordneten Internetsperren. «Was wir hier zum ersten Mal aufbauen, ist eine Zensurinfrastruktur», sagt Marques. Bisher gebe das Bundesamt für Polizei lediglich Empfehlungen heraus, Seiten zu sperren. So gebe es eine Kinderpornografie-Liste, die Provider nach Belieben verändern könnten. «Das kontrolliert niemand.»

Irgendwo muss man im Internet einen Schutz oder eine Barriere einbauen.
Autor: Diana Gutjahr Nationalrätin SVP/SG

Die Sperren für Kinderpornografie seien freiwillig. Wenn nun obligatorische Sperren für Geldspielseiten eingeführt würden, warnt Marques, könnten die Sperren später auf weitere Bereiche des Internets ausgeweitet werden. Etwa auf Seiten, auf denen urheberrechtlich geschützte Filme und Musik gratis heruntergeladen würden. Die Unterhaltungsindustrie möchte dies unterbinden.

Geschwindigkeitslimiten umgehen

Dieses Argument lässt Diana Gutjahr nicht gelten. Die SVP-Nationalrätin aus St. Gallen sitzt im Komitee für das Geldspielgesetz. Die Leute hätten das Gefühl, das Internet sei ein rechtsfreier Raum, wo es keine Regeln brauche, sagt sie. «Irgendwo muss man hier aber einen Schutz oder eine Barriere einbauen.»

Klar könnten die Netzsperren umgangen werden, sagt Gutjahr. Doch das gelte auch für andere Verbote, wie etwa die Geschwindigkeitslimiten auf den Strassen. «Man kann jede Barriere umfahren, aber man muss sich aktiv darum bemühen.»

Engagement der Hacker

Die SVP-Nationalrätin teilt die Sorge der Hackerszene nicht, dass Netzsperren Schule machen könnten. «Ich setze mich nur dafür ein, dass in diesem einen Bereich eine Blockade eingeführt wird, aber sicher nicht für weitere Themen.»

Diesen Beteuerungen schenken die jungen Computerprogrammierer vom Chaos-Computer-Club Bern wenig Vertrauen. Sie kämpfen weiter gegen das Geldspielgesetz – ganz nach der Devise: Wehret den Anfängen.

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