Dürfen Versicherungen Einblick in genetische Untersuchungen erhalten? Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger findet das heikel – bringt aber ein gewisses Verständnis für die Versicherungen auf.
SRF News: Die Nationalratskommission möchte, dass Versicherungen über genetische Untersuchungsergebnisse informiert werden müssen. Was ist daran problematisch?
Adrian Lobsiger: Natürlich ist es ein Eingriff in die Selbstbestimmung und Privatsphäre der Betroffenen. Auf der anderen Seite kann ich nachvollziehen, dass eine Risikoversicherung – und eine Lebensversicherung ist eine Risikoversicherung – beim Vertragsschluss schon davon ausgehen muss, dass das Risiko für beide Parteien bis zu einem gewissen Grad ungewiss ist.
Beim Schweizerischen Versicherungsverband heisst es, dass man niemanden zu einem solchen Gentest zwinge. Aber eben: Wenn jemand freiwillig einen solchen Test macht, dann müsse er die Resultate vorlegen – er dürfe diese nicht verschweigen. Sie sagen: Das sei für Sie ein relevanter Unterschied…
Das ist sicher relevant, weil diejenige Vertragspartei, die einen solchen Test machen liess, einen gewissen Wissensvorsprung hat, den sie dann unter Umständen ausnützen kann. Aber sie wird nicht gezwungen, diese Daten an sich zu erheben. Zudem kann sie allenfalls von den Vertragsverhandlungen zurücktreten, wenn sie den Gentest nicht der Versicherung überlassen will. Hierbei haben wir sicher einen nicht gleich schweren Eingriff.
Aber kann man dann noch von Freiwilligkeit sprechen? Ich weiss, ich kann nur noch eine Lebensversicherung abschliessen, wenn ich einen solchen Test mache – weil das die Versicherungen verlangen.
Das wäre etwas anderes. Das würde schliesslich zu einer Vornahmepflicht einer genetischen Datenerhebung führen – und das wäre dann eben bereits einen Schritt weiter. Genau da warne ich davor: Dass man eine Vorlagepflicht eines bereits vorhandenen Tests zu einer Vornahmepflicht solcher Tests ausweiten könnte – und das wäre dann ein Schritt in die falsche Richtung.
Eine Risikoversicherung – und eine Lebensversicherung ist eine Risikoversicherung – muss beim Vertragsschluss davon ausgehen, dass das Risiko für beide Parteien bis zu einem gewissen Grad ungewiss ist.
Glauben Sie, dass der Druck steigen wird, solche Tests zu machen?
Jeder gesetzgeberische Schritt, der vielleicht am Anfang sorgfältig abgewogen worden ist, wird dann nach einigen Jahren in Wiedererwägung gezogen. Dabei besteht die Gefahr, dass dann ein Schritt weiter in Richtung Datenerhebung und Eingriffe in die Selbstbestimmung und Privatsphäre folgt. Deshalb sage ich: Es ist eben wichtig, dass man hier behutsam abwägt.
Trotz einem gewissen Verständnis für die Versicherungen sehen Sie also die Gefahr, dass man da Tür und Tor für eine gefährliche Praxis öffnet?
Genau. Hier gilt es, sehr wachsam zu sein.
Das Gespräch führte Melanie Pfändler.