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Genfer Spesenskandal «Solche Fälle schaden unserer Demokratie»

Die Genfer Spesenexzesse lassen den Geschäftsführer von Transparency leer schlucken. Er fordert volle Transparenz.

Die Organisation Transparency Schweiz kämpft seit Jahren für mehr Transparenz bei Behörden und Politik. Geschäftsführer Martin Hilti kennt denn auch viele Fälle von Mauscheleien und Spesenexzessen.

Leer geschluckt hat er beim Fall Genf trotzdem: «Das überrascht mich schon, insbesondere das Ausmass der bezogenen Spesen.» Dass die Genfer Politik nach der Affäre Maudet nun schon wieder in den Schlagzeilen ist, will Hilti nicht werten. Auch glaubt er nicht, dass sich Spesenexzesse in der Schweiz häufen.

Aber was sagt er zu den vielen ähnlich gelagerten Fällen, in denen Politiker oder Beamte sich Essen und andere Annehmlichkeiten mit Steuergeldern bezahlen liessen? «Ich erkläre mir das zuallererst so, dass zunehmend hingeschaut wird, dass mit den Spesen korrekt umgegangen wird. Das ist erfreulich.»

Bund geht mit gutem Beispiel voran

Auch im Fall Genf war das so. Kontrolle ist gut, klare Vorgaben seien aber besser, ist Hilti überzeugt. Ein einfaches Mittel um exzessive Spesenbezüge einzudämmen, sei ein klares Spesenreglement. Das habe der Bund bewiesen, bei dem in allen Departementen klare Richtlinien gelten würden.

Geregelt würden etwa Essenspauschalen oder Erstattungen von Auslandreisen. Es gebe diesbezüglich konkrete Zahlen und Bandbreiten. «Es ist wichtig und sinnvoll, dass man solche Regelungen trifft, um Missbrauch zu verhindern», sagt Hilti.

Völlige Transparenz erforderlich

Genf hat aufgrund der jüngsten Vorfälle das Spesenreglement überarbeitet. Transparency Schweiz begrüsst dies, aber es reiche noch nicht, sagt Hilti: «In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass man öffentlich Zugang gewährt zu den Spesenbezügen.» Soweit will Genf jedoch nicht gehen. Für Hilti ist aber klar, dass nur völlige Transparenz dafür sorge, dass der Missbrauch von Spesen auf ein Minimum reduziert wird.

«Eine Schande für Genf»

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Legende: Keystone

In Genf ist man erschüttert. «Die Affäre ist eine Schande für Genf», sagt Simon Brandt, Präsident der Stadtgenfer FDP gegenüber SRF News. Die FDP ist in der Stadtregierung nicht vertreten. Diese besteht aus CVP, SP, den Grünen und der Alternativen Linken. Derweil dominieren die bürgerlichen Parteien das Stadtparlament.

Von bürgerlicher Seite kommen nach der Spesenaffäre deutliche Forderungen auf: Alle ungerechtfertigt erstatteten Spesen müssten zurückbezahlt werden, sagt Brandt. Vor allem CVP-Mann Guillaume Barazzone, der auch im Nationalrat sitzt, ist im Fokus. Er räumte gestern umgehend Fehler ein und kündigte an, über 50'000 Franken zurückzuzahlen – als einziger der fünf Stadträte.

Die Genfer CVP hält zu ihrem 36-jährigen Polit-Jungstar. Philippe Fleury, Vizepräsident der Genfer CVP, wählt dennoch deutliche Worte: «Das ist keine Ruhmesstunde für Barazzone. Er ist noch jung, mit allen Fehlern und Qualitäten, die das mit sich bringt. Er war unvorsichtig und muss dieses Verhalten nun sofort ändern.»

Für den Geschäftsführer von Transparency ist klar: Ungerechtfertigte Handykosten, übermässige Taxifahrten, opulente Essen – alles bezahlt vom Steuerzahler, das sei kein Kavaliersdelikt: «Solche Fälle verletzen das Vertrauen in die politischen Institutionen und die gewählten Politikerinnen und Politiker.» Zudem seien Spesenexzesse Missbräuche von Steuergeldern. «Das ist sehr schädlich für unsere Demokratie. Deswegen ist es wichtig, dass wir solche Fälle möglichst unterbinden können», sagt Hilti.

Er fordert Kantone und Gemeinden auf, ihre Spesenreglemente genau anzuschauen. Eine exakte Übersicht über die verschiedensten Entschädigungspraktiken und Reglemente habe man zwar nicht, aber man gehe davon aus, dass in vielen Kantonen und Gemeinden die Vorgaben und Kontrollen von Spesenbezügen noch mangelhaft sei.

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