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Gentech in der Landwirtschaft Maya Graf: «Es gibt sehr wenig Risikoforschung zur Gen-Schere»

Pflanzen gentechnisch zu verändern, ist in der Schweiz verboten. Seit über 15 Jahren besteht dazu ein Moratorium. Über eine Verlängerung um weitere vier Jahre war sich der Ständerat mit dem Nationalrat grundsätzlich einig. Doch in einem Punkt soll es eine Ausnahme geben: Für neue gentechnische Verfahren wie die sogenannte CRISPR-Methode, auch Gen-Schere genannt. Dagegen wehrte sich vergeblich Ständerätin Maya Graf (Grüne/BL), wie sie im Interview zum Tag erklärt.

Maya Graf

Ständerätin (Grüne/BL)

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Maya Graf sitzt seit 2019 für den Kanton Basel-Landschaft im Ständerat. Die Grüne-Politikerin ist Miteigentümerin eines Biobauernbetriebs und u.a. Co-Präsidentin der Frauenorganisation Alliance F.

SRF News: Sie sind sozusagen eine der Miterfinderinnen vom Gentech-Moratorium. Das wissen alle, die diesen Film «Mais» im Bundeshaus vor bald 20 Jahren gesehen haben. Nun mussten Sie zum ersten Mal seit langem wieder einmal einen Rückschlag erleiden im Kampf gegen die Gentechnologie.

Maya Graf: Dieser Entscheid des Ständerats wird wahrscheinlich und hoffentlich sicher wieder korrigiert vom Nationalrat. Aber ja, es war ein knapper Entscheid.

Im Wesentlichen ging es um die Frage des CRISPR-Verfahrens, auch Gen-Schere genannt. Der Ständerat möchte dieses erlauben; also dann, wenn kein fremdes Gen-Material eingefügt wird. Wovor haben Sie Angst bei diesem Verfahren?

Es geht hier überhaupt nicht um Angst, sondern um die Zeit, die man sich nimmt, um eine klare Regelung zu finden. Vor allem dann, wenn dieses Verfahren kommerzialisiert werden soll für die Umsetzung in der Praxis. Bis heute gibt es kein marktreifes Produkt, über das wir sprechen könnten. Die Patentfrage ist nicht gelöst. Vor allem fehlen auch die Daten, es gibt sehr wenig Risikoforschung.

Das CRISPR-Verfahren haben zwei Frauen mit erfunden, die letztes Jahr sogar den Nobelpreis dafür erhalten haben. Es ist ein Verfahren, in das sehr viel Hoffnung gesteckt wird, zum Beispiel auch im Kampf gegen den Klimawandel. Das müsste Sie doch interessieren?

Das ist richtig, die Forschung findet statt, und soll auch stattfinden. Die Forschung ist vom Gentech-Moratorium überhaupt nicht betroffen, es ist eigentlich ein Teil-Moratorium für die kommerzielle Freisetzung. Forschung ja, sich aber Zeit nehmen, dieses Verfahren marktreif zu entwickeln – in diesem Gebiet gibt es noch nichts.

Wenn man ein solches Signal wie heute aussendet, verunsichert man die Konsumentinnen und Konsumenten und man stellt eine Vertrauensfrage in das Schweizer Qualitätsmerkmal der Land- und Lebensmittelwirtschaft.

Sie sind aber nicht grundsätzlich gegen das CRISPR-Verfahren?

Ich bin doch nicht gegen Forschung, im Gegenteil. Forschung ist wichtig. Innovation ist auch wichtig. Wir brauchen solche Pflanzen für die Zukunft, die nachhaltig, robust und standardgerecht sind. Diese könnte es in der Zukunft vielleicht auch einmal geben. Was ich aber betonen möchte ist, dass es in diesem Bereich von CRISPR/Cas bis heute nur Pflanzen gibt, die herbizidtolerant sind. Dann sind wir eigentlich wieder dort, wo wir seit 20 Jahren sind. Das ist nämlich kein Produkt, das unserer Schweizer Landwirtschaft wirklich hilft.

Das wäre aber auch ein Produkt, das die hohen Hürden des Ständerats nicht erfüllen würde?

Nein, in diesem Fall nicht. Was ich aber noch dazu sagen möchte: Wenn man ein solches Signal wie heute aussendet, verunsichert man die Konsumentinnen und Konsumenten und man stellt eine Vertrauensfrage in das Schweizer Qualitätsmerkmal der Land- und Lebensmittelwirtschaft – denn diese ist erfolgreich auf Gentech-Freiheit positioniert.

Der Ständerat möchte ein kleines Türchen öffnen, in einem Bereich, auf den man Hoffnungen setzt. Zum Beispiel hat sich auch die Migros positiv geäussert, dass man da genauer hinschaut. Auch eine Organisation wie IP-Suisse, die eigentlich eine umweltverträgliche Landwirtschaft propagiert, ist dafür. Würden Sie sich nicht ein wenig vorwerfen lassen, dass Sie nicht mit der Zeit gehen?

Nein, im Gegenteil. Wir möchten eben Zeit für die Forschung gewinnen. Es gibt praktisch keine Freisetzungsversuche, die in der Schweiz auf diesen Technologien angemeldet sind, mit denen man genau testen könnte, wie sich solche Pflanzen im Freiland verhalten, und ob sie dann zum Beispiel die gewünschten Eigenschaften noch haben.

Ein wichtiger Teil wird eine nachhaltige Pflanzenzüchtung sein, und für mich muss man da vor allem in eine ökologische Pflanzenzüchtung investieren.

Es brauche das Signal an die Forschung, hat es geheissen. Die Freisetzungsversuche hätten heute hohe Hürden. Es brauche ein Signal, eine Perspektive für die Forschung, sonst passiere nichts.

Das Signal, oder dass man nun sagt, der Bundesrat muss vorwärtsmachen, ist passiert. Auch heute mit der Überweisung des Postulats, welches klar den Auftrag gibt, dass man diese Fragen sorgfältig abklärt. Ein wichtiger Teil wird eine nachhaltige Pflanzenzüchtung sein, und für mich muss man da vor allem in eine ökologische Pflanzenzüchtung investieren.

Und darum hoffen Sie jetzt als Nächstes, dass der Nationalrat «Nein» zu dieser Ausnahme sagt, die der Ständerat am Donnerstag entschieden hat?

Ich hoffe, dass der Nationalrat «Ja» zu dieser Gentech-Moratoriums-Verlängerung sagt, jetzt noch für die nächsten vier Jahre, und keine Ausnahmen macht.

Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.

Tagesschau, 02.12.2021, 18:00 Uhr ; 

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