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Töne von damals und Interview mit dem damals zuständigen Stadtrat
Aus Regionaljournal Ostschweiz vom 10.07.2023. Bild: Keystone/Gian Ehrenzeller
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Geothermie-Erdbeben Beben in St. Gallen liess vor 10 Jahren Geothermie-Träume platzen

Geplant war ein neuartiges Kraftwerk – doch dann kam es zum grössten von Menschen verursachten Erdbeben in der Schweiz.

Es war 5:30 Uhr, als am 20. Juli 2013 in St. Gallen die Erde bebte. Vor diesem Moment hatten sich die Verantwortlichen gefürchtet. Denn sofort wurden Erinnerungen an Basel wach: Ein Geothermieprojekt hatte dort 2006 mehrere Erdbeben ausgelöst und Schäden im mehrstelligen Millionenbereich verursacht.

Schäden gab es in St. Gallen zwar nur kleine. Doch das Beben in einer Tiefe von vier Kilometern und mit einer Magnitude von 3.6 war in der ganzen Region spürbar. Das St. Galler Geothermieprojekt wurde – wie zuvor schon jenes in Basel – sofort gestoppt. Es blieb vorerst das letzte seiner Art.

In der Schweiz gibt es zwar mehrere Geothermiestandorte. Sie werden beispielsweise für Fernwärmenetze genutzt. Strom wird jedoch bis jetzt in der Schweiz nirgends mittels Geothermie erzeugt.

Die Hoffnungen waren gross

Das Ziel des St. Galler Projekts war es, die Hälfte der Häuser in der Stadt mit Wärme aus der Geothermie zu beheizen. Und eben: Strom erzeugen. Alles umweltfreundlich.

Die Bevölkerung stand voll und ganz hinter dem Projekt. Mit deutlichem Mehr nahm sie 2010 einen 160-Millionen-Kredit an der Urne an. Die eine Hälfte des Geldes war für die Tiefenbohrung und den Bau des Geothermie-Kraftwerks vorgesehen. Die andere für den Ausbau des Fernwärmenetzes.

«Ich werde noch heute fast täglich darauf angesprochen»

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Legende: Freddy Brunner war damals zuständiger Stadtrat und galt als politischer «Vater» des St. Galler Geothermieprojekts. Keystone/Gian Ehrenzeller

SRF: Zehn Jahre danach – was geht Ihnen durch den Kopf?

Freddy Brunner: Das Ereignis ist immer noch gegenwärtig. Wenn ich durch die Stadt gehe, werde ich noch heute fast täglich darauf angesprochen. Die Leute sagen auch, dass es schade sei und fragen, ob wir nicht weiter machen.

Wie haben sie die Stunden und Tage nach dem Beben in Erinnerung?

Es war eine riesige Anspannung. Das Erdbeben war ein Ereignis, das man nicht gewollt hatte und das man persönlich ja auch nicht im Griff hat. Ein weiteres Beben – das war meine grösste Sorge.

Eigentlich gäbe es bis 2029 ein gültige Bau- und Bohrbewilligung. Wenn Sie wünschen könnten, was soll passieren?

Wir standen damals unter riesigem Zeitdruck. Der Bohrturm kostete uns etwa 100'000 Franken pro Tag. Damals sagten wir: Wir müssen jetzt aufhören und dann überlegen, wie es weitergeht. Die letzten acht Jahre hat man nicht genutzt, um zu überlegen. Ich kann es nicht beurteilen, was sinnvoll wäre. Was wir gemacht haben, ist die Fernwärme auszubauen. Die grosse Herausforderung ist es, die Fernwärme mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Ich glaube nicht, dass das Bohrloch in dieser Form effizient genug betrieben werden kann, dass eine Nutzung jetzt Sinn machen würde.

Entsprechend gross war nach dem Ende des Projekts die Enttäuschung. Bei den Verantwortlichen, aber auch bei der Bevölkerung.

Alles anders als in Basel?

Das 2009 gestoppte Basler Geothermieprojekt hatte die Geothermie in der Schweiz bekannt gemacht – aber auch das damit zusammenhängende Risiko von Erdbeben. Entsprechend bemüht waren die Verantwortlichen in St. Gallen im Vorfeld, die Unterschiede der beiden Projekte zu betonen.

In St. Gallen sollte nämlich eine Erdschicht angezapft werden, in der bereits Wasser vorkommt. Das heisse Wasser gelangt bei dieser Methode über das Bohrloch an die Oberfläche, wird dort genutzt, und dann durch ein zweites Bohrloch wieder in die Tiefe gepumpt. In Basel hingegen wurde versucht, unter Hochdruck einen künstlichen Wasserkreislauf zu erzeugen.

Wo steht man heute?

Das Potenzial der Geothermie ist unbestritten. Auch der Bund schätzt es als «sehr gross» ein. Nach den Erdbeben in Basel und St. Gallen war es für neue Projekte jedoch schwieriger geworden, die nötige Unterstützung zu finden.

Dies könnte sich ändern: Das Risiko einer Stromknappheit könnte die Geothermie als Stromquelle wieder vermehrt in den Fokus rücken. Im März hat beispielsweise der Zürcher Kantonsrat der Regierung den Auftrag gegeben, das Potenzial im Kanton zu prüfen.

SRF1 Regionaljournal Ostschweiz, 10.07.2023, 17:30 Uhr;

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