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Gerichtsprozess in Brugg (AG) Wollte Vater sein vierjähriges Mädchen im Einkaufscenter töten?

Seit Dienstag muss sich ein Vater vor dem Bezirksgericht Brugg verantworten. Er verletzte seine Tochter schwer.

Im August 2019 schleuderte ein 50-jähriger Mann seine vierjährige Tochter im Einkaufscenter Neumarkt Brugg mehrmals Kopf voran zu Boden. Das Kind erlitt ein schweres Schädelhirntrauma. Weil die Tat in der Öffentlichkeit passierte, gibt es Zeugen für den Vorfall. Nun muss das Bezirksgericht Brugg klären, ob es versuchter Mord war oder nicht.

Der Angeklagte habe das Mädchen nach einem verbalen Streit mit der Mutter im Einkaufscenter Neumarkt Brugg zweimal Kopf voran auf den Boden geschleudert, sagt die Staatsanwaltschaft. Erst dank Drittpersonen konnte das Mädchen in einem Laden in Sicherheit gebracht werden. Später wurde es per Helikopter ins Kinderspital Zürich geflogen.

Haus aus Beton
Legende: Der Neumarkt Brugg, ein Einkaufscenter in der Nähe des Bahnhofs. Im Bild eine ältere Aufnahme von 2016. Keystone/Walter Bieri

Die Staatsanwaltschaft hat den Mann wegen versuchten Mordes angeklagt. Sie fordert 20 Jahre Freiheitsstrafe, eine unbedingte Geldstrafe, eine ambulante Massnahme und 15 Jahre Landesverweis. Der Angeklagte stammt aus dem Irak. Welche Strafe die Verteidigung fordert, ist noch nicht bekannt.

Gewalt, Isolation, Polizeieinsätze

Als Erster wurde vor Gericht der psychiatrische Gutachter befragt. Der vermindert intelligente Beschuldigte verhalte sich seit Jahren immer wieder gewalttätig, aggressiv und bedrohlich, sagte er. Die Motivlage sei kaum greifbar, der Fall sehr herausfordernd. Eine Therapie wäre möglich, würde aber viel Zeit benötigen.

Der heute 53-jährige Beschuldigte hat gemäss Gutachter weder Schulabschluss noch Ausbildung. Mit 34-Jahren wanderte er in die Schweiz aus. Er habe Schwierigkeiten gehabt, sich anzupassen, blieb sozial isoliert, sagte der Gutachter weiter. 2008 widersetzte sich der Angeklagte erfolgreich einer Ausschaffung.

Ich hätte, wenn, eine Gefahr für die Mutter gesehen, aber nicht für die Tochter selber.
Autor: Psychiatrischer Gutachte vor Gericht

In verschiedenen Beziehungen wurde er in schwierigen Situationen gegenüber den jeweiligen Partnerinnen gewalttätig. Auch seiner Frau drohte er. Die Polizei musste mehrmals intervenieren. Aber: Gegen seine kleine Tochter habe er vor der Tat nie Drohungen ausgestossen oder Gewalt angewandt. Der Angriff gegen sie sei deshalb völlig unerwartet gekommen, meinte der Gutachter weiter. Das Rückfallrisiko für weitere Gewaltausbrüche in Beziehungen sei hoch.

Zeuge hörte und sah die Tat

Der Angeklagte passte Mutter und Tochter vor der Tat im Bus ab. Damals galt gegen den Mann eine Wegweisung vom Wohnort. Diese wäre bald abgelaufen. Der Angeklagte sei in Versöhnungsabsicht gekommen, sagte der Psychiater. Aber der Streit mit der Mutter eskalierte.

Ich hörte Knochen brechen.
Autor: Zeuge vor Gericht

Ein Augenzeuge schilderte vor Gericht, dass er gesehen habe, wie ein Mann «etwas» packte, hochhob und zu Boden schmetterte, den vermeintlichen Gegenstand nochmals aufhob und erneut zu Boden schleuderte. Erst da habe er verstanden, dass es sich um ein Kind handelte. «Ich hörte Knochen brechen.» Der Zeuge und ein weiterer Mann schlugen auf den Beschuldigten ein und drängten ihn weg vom Kind, das der Mann nochmals aufheben wollte.

Auch die Mutter sagte vor Gericht aus, per Video zugeschaltet aus der Reha. Sie hat gesundheitliche Probleme und ist 100-prozentige IV-Rentnerin. Sie könne nicht schlafen, studiere immer wieder, wie das passieren konnte, sagte sie per Video. Ihrer Tochter gehe es den Umständen entsprechend gut. Sie lebt in einer Pflegefamilie.

Das Urteil wird am Freitag erwartet.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 10.01.2023, 06:31 Uhr/17:30 Uhr ; 

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