Es geht um Körperverletzung, Drogen, Pornografie oder Verstösse gegen die Verkehrsregeln: Im letzten Jahr wurden schweizweit 23'080 Jugendurteile ausgesprochen. Elf Prozent mehr als 2022.
Einen markanten Anstieg von Fällen, in die Minderjährige involviert sind, hat auch die Luzerner Polizei beobachtet. Deswegen will sie nun mit einer neuen Fachstelle Jugend Gegensteuer geben.
Agieren statt reagieren
Geleitet wird diese von Adrian Rohrer. Er arbeitet eng mit der Kriminalpolizei und der Jugendanwaltschaft zusammen. Aber auch mit Berufskolleginnen und -kollegen, die im ganzen Kanton tätig sind und ihren Fokus auf Jugendgewalt legen.
Rohrer sieht sich als Anlaufstelle für Schulen, Vereine und Jugendinstitutionen. Und für die Jugendlichen selber. «Ich will mich Problemen annehmen, noch bevor ein Strafverfahren läuft.»
Jugendliche bestellen illegale Messer
Aktuell gibt es mehrere Themen, die Rohrer beschäftigen. Prügeleien, im Zusammenspiel mit Alkohol und Drogen etwa. Oder Bilder und Videos, die per Handy verschickt werden und strafrechtlich relevant sind.
«Unter anderem will ich auch der Messergewalt entgegenwirken», sagt er. Jugendliche bestellten sich auf ausländischen Online-Plattformen Messer. «Einfach, weil sie sie cool finden.»
Doch es handle sich dabei oft um verbotene Ware, die dann vom Zoll abgefangen werde. «Dass dies einen Strafregistereintrag zur Folge hat, erfahren sie erst bei der Einvernahme durch die Polizei.»
Fachstelle soll Lücke schliessen
Prävention gegen Jugendgewalt: Ein wichtiges Puzzleteil war dabei bislang die Schulinstruktion. Polizistinnen und Polizisten besuchen vom Kindergärtler bis zur Oberstufenschülerin alle Klassen und halten Vorträge.
«Nicht immer können damit aber aktuell bestehende Probleme aufgegriffen werden», sagt Adrian Rohrer. «Hier kann ich eine Lücke schliessen.» Er macht ein Beispiel: Jemand aus einer Klasse hat ein Graffiti gemacht. «Ich könnte den Jugendlichen direkt aufzeigen, wie ein Strafverfahren in so einem Fall abläuft.»
Er könne auch Lehrpersonen beraten, wie sie mit Jugendlichen umgehen, die mit Messern zur Schule kommen. «Bislang blieben solche Fälle einfach liegen, wenn bei der Polizei keine Anzeige eingegangen ist.»
Gewaltforscher sieht Potenzial
Was kann eine solche Fachstelle erreichen? Dirk Baier, Gewaltforscher am Institut für Kriminalprävention an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften ZHAW, sieht durchaus Chancen.
«Solche Stellen sind in der Regel dauerhafter eingerichtet als Projekte, die sich der Bekämpfung von Jugendkriminalität widmen», sagt er. Diese würden zwei, drei Jahre gefördert und dann wieder eingestellt. «Das ist im Präventionsbereich nicht hilfreich.»
Prävention muss die sozialen Bedingungen mitberücksichtigen.
Eine Fachstelle könne Schwerpunkte setzen. «Derzeit könnten das beispielsweise das Messerthema oder auch Hate Crime sein», sagt Dirk Baier. «Wir sehen, dass sich minderheitenfeindliche Haltungen unter Jugendlichen wieder verbreiten.» Eine Fachstelle könne dazu gezielt Aktionen initiieren.
Allerdings müsse sie gut vernetzt sein. Der Gewaltforscher fragt sich daher, ob die Fachstelle nicht besser im Sozial- oder Gesundheitsbereich angesiedelt wäre. «Prävention muss die sozialen Bedingungen mitberücksichtigen», so Baier. Der Zugang zu Bildung spiele eine Rolle, aber auch Armutsbetroffenheit. «Dies kann polizeilicherseits nicht geleistet werden.»