Ein Knopfdruck, ein Piepsen – Schiedsrichter Hamza Caliskan testet die Bodycam vor dem Anpfiff. Die Kamera auf Brusthöhe soll den Schiedsrichter vor Gewalt und Drohungen schützen. «Ganz sicher wäre ich nur mit einem Bodyguard, so wie Messi», sagt der Amateurschiedsrichter. «Aber es ist eine gute Sache.»
Premiere in der Schweiz
Ein Samstagsspiel Ende April, 3. Liga: Der FC Post Solothurn gegen den Kurdischen FC Solothurn. Für den Schiedsrichter ein besonderer Moment: Zum ersten Mal kommen im Schweizer Fussball Bodycams zum Einsatz. Kameras, wie sie sonst beispielsweise die Polizei nutzt.
«Wir hatten jahrelang immer wieder Probleme mit Gewalt gegen Schiedsrichter», sagt Marc Häni, Vizepräsident der Schiedsrichterkommission im Solothurner Fussballverband.
Schiedsrichter in Kabine verprügelt
Der Tiefpunkt: Im Oktober 2024 attackierten in Bellach mehrere Spieler und Zuschauer einen jungen Schiedsrichter tätlich in der Kabine. Das Opfer musste ärztlich behandelt werden. Drei Männer wurden im März wegen des Angriffs verurteilt, wie die Staatsanwaltschaft der «Rundschau» mitteilt.
Jede Woche eine Attacke
Davon hat der Solothurner Fussballverband genug. Marc Häni: «Wir müssen unsere Schiedsrichter schützen.» Gewalt im Amateur- und Regionalfussball ist kein neues Problem. Mehr als 70'000 Spiele gibt es pro Saison. Grossmehrheitlich friedlich.
Doch die Zahlen des Schweizerischen Fussballverbandes zeigen: Während der letzten beiden Saisons wurde im Durchschnitt jede Woche ein Schiedsrichter tätlich angegriffen. In jedem 100. Spiel wird ein Schiedsrichter oder eine Schiedsrichterin beleidigt, bedroht oder attackiert.
Wallis will nächste Saison Bodycams
«Was zunimmt, sind Drohungen gegen Schiedsrichter», sagt Alexander Schmid, Präsident der Schiedsrichterkommission im Walliser Fussballverband.
Auch er will die Bodycams auf nächste Saison einführen. Es gehe vor allem um die Sicherheit der jungen Schiedsrichter an Spielen von Junioren und Juniorinnen. «Es gibt immer wieder Eltern, die meinen, ihr Junior ist der neue Messi oder Ronaldo», sagt Schmid. «Sie haben sich nicht im Griff und werden ausfällig.»
«Das ist, wie wenn wir die Polizei aufbieten»
Doch es gibt auch Regionalverbände, die den Einsatz von Bodycams kritisch sehen. «Ich bin dagegen», sagt Luigi Ponte, Präsident des Aargauer Fussballverbandes. «Das ist, wie wenn wir die Polizei aufbieten würden. Da provozieren wir schon vor dem Spiel.»
Er befürchtet, dass ein Kameraeinsatz die Situation noch mehr eskalieren lassen könnte. «Wenn sich einer gefilmt fühlt, ist das für gewisse Leute wie ein Angriff», sagt Ponte.
«Hoffe auf mehr Verständnis»
Zwanzig Bodycams sind beim Solothurner Fussballverband verfügbar. Sie kommen grundsätzlich in der 3. bis 5. Liga der Männer zum Einsatz. Oder dann, wenn ein Spiel mit gewissem Risiko anstehe. Der erste Einsatz der Bodycam in Solothurn verläuft reibungslos. Hamza Caliskan betätigt mehrmals den Aufnahmeknopf. «Ich glaube, in einer Szene gingen die Spieler schneller weg wegen der Kamera.»
Caliskan wurde nur Wochen zuvor bei einem Spiel von einem Trainer massiv bedroht. «Die Spieler haben mir geholfen und ihn zurückgehalten», sagt Caliskan. Aber: «Es hat mich psychisch und körperlich mitgenommen», sagt er. Er hofft, dass die Bilder auch für ein Umdenken sorgen. «Vielleicht sieht man so, welche Last und welcher Druck auf den Schiedsrichtern lastet.»