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Gleichstellung im Arbeitsmarkt Lohnunterschiede zwischen Mann und Frau müssen überprüft werden

Firmen mit über 100 Angestellten müssen ihre Löhne analysieren und extern prüfen lassen. Doch kontrolliert wird es nicht.

Seit zwei Jahren gibt es ein Bundesgesetz, das von Firmen mit mehr als 100 Angestellten verlangt, ihre Löhne zu analysieren und extern überprüfen zu lassen. In diesem Prozess ist man jetzt in der letzten Phase: Die Belegschaften erfahren, ob sie fair entlöhnt werden. Kontrolliert wird das jedoch nicht, und nur wenige Firmen machen die Ergebnisse öffentlich.

Die Werbefirma Clear Channel etwa veröffentlicht das Ergebnis. Hier verdienen Männer rund drei Prozent mehr als Frauen, wenn die Funktion berücksichtigt wird. Alles unter fünf Prozent Lohnunterschied ist gemäss Bund im grünen Bereich. Trotzdem schauen die Verantwortlichen nun genauer hin.

Das besagt die Verfassung

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Im Artikel 8, Absatz 3 der Bundesverfassung steht:

«Mann und Frau sind gleichberechtigt. Das Gesetz sorgt für ihre rechtliche und tat­sächliche Gleichstellung, vor allem in Familie, Ausbildung und Arbeit. Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.»

Geschäftsführer von Clear Channel, Christoph Marty, erklärt: «Wir achten in dieser vertieften Analyse nicht nur auf die Löhne, sondern auch darauf, ob alle gleichberechtigt sind, wenn es um Aus- und Weiterbildung geht. Und auch, ob wir transparent in der Kommunikation und den ganzen Prozessen sind, die zu einer Lohnerhöhung führen.»

Kritik vonseiten der Gewerkschaft Travail Suisse

Clear Channel gehört zu 130 Unternehmen, die auf einer Plattform der Gewerkschaft Travail Suisse ausweisen, dass sie die Kriterien für faire Löhne erfüllen. Laut dem Gewerkschaftspräsidenten, Adrian Wüthrich, erfasst die Seite bisher erst 12 Prozent der Mitarbeitenden von Grossunternehmen.

Die Bundesverfassung sieht vor, gleiche Löhne für Mann und Frau zu bezahlen. Das wollen wir mit unserer Plattform aufzeigen und Druck machen.
Autor: Adrian Wüthrich Gewerkschaftspräsident Travail Suisse

«Die Bundesverfassung sieht vor, gleiche Löhne für Mann und Frau zu bezahlen. Das wollen wir mit unserer Plattform aufzeigen und Druck machen. Das ist das einzige, was dieses zahnlose Gesetz uns ermöglicht», sagt Wüthrich. Auf einer nächsten Stufe werde man selbstverständlich versuchen, politische Mehrheiten zu finden, um das Gleichstellungsgesetz zu verschärfen.

Arbeitgeberverband sieht kein Handlungsbedarf

Der Arbeitgeberverband findet, es brauche keine Gesetzesverschärfung – ansetzen solle man bei den unterschiedlichen Berufen und Positionen, die einen Teil der Lohnunterschiede erklären.

Wir müssen den Frauen und insbesondere den Müttern ermöglichen, dass sie eben auch in Berufe einsteigen können, die eher Männerberufe sind.
Autor: Daniella Lützelschwab Ressortleiterin Arbeitsmarkt, Arbeitgeberverband

So erklärt Daniella Lützelschwab, Ressortleiterin Arbeitsmarkt beim Arbeitgeberverband: «Wir müssen den Frauen und insbesondere den Müttern ermöglichen, dass sie eben auch in Berufe einsteigen können, die eher Männerberufe sind, dass sie Pensen erhöhen können, also Themen wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Fehlanreize bei den Steuern beseitigen, damit sie auch motiviert sind, diese Verantwortung und diese Pensen zu ergreifen.»

Diesen Ansatz versucht die Personalleiterin von Clear Channel, Claudia Montag umzusetzen. So setzt sie unter anderem auf die Weiterbildung der Mitarbeiterinnen – was etwa der Marketingchefin erlaubt, noch mehr Verantwortung zu übernehmen. «Weil sie diesen neuen Bereich übernommen hat, haben wir sie hier proaktiv angesprochen, ob sie eine Weiterbildung absolvieren möchte, die wir auch finanziell und zeitlich zu 100 Prozent übernehmen werden.»

Verschiedene Anbieter von Lohnzertifizierungen sagen, dass sie kaum mehr unerklärte Unterschiede zwischen Männer- und Frauenlöhnen finden. Aber wie die Lage über alle Branchen hinweg ist, zeigen erst die Zahlen des Bundes, die Ende Jahr veröffentlicht werden.

Tagesschau, 15.07.22, 19:30 Uhr ; 

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