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Gräfin oder Herzog Herzog, Gräfin, Freiherrin: Berner Schloss verkauft Adelstitel

Das historische Schloss Thunstetten im Kanton Bern lockt mit Adelstiteln – doch was steckt dahinter?

Das Schloss Thunstetten hat einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen, um seine Finanzierung zu sichern: Es verkauft symbolische Adelstitel wie «Gräfin», «Herzog» oder «Freiherrin». Den «Freiherr» gibt es für 80 Franken im Jahr, die Gräfin für 250 Franken. Wer sich Herzogin oder Herzog nennen will, muss 500 Franken bezahlen.

Wir erhoffen uns mehr finanzielle Unterstützung.
Autor: Michael Schär Präsident Stiftung Schloss Thunstetten

Käuferinnen und Käufer erhalten eine Art Ehrentitel als Dank für ihre Spende. Die Schlossbetreiber wollen damit mehr Gönnerinnen und Gönner anziehen und die rückläufigen Einnahmen im Fundraising wieder beleben.

«Wir erhoffen uns dadurch einen Schub und mehr Unterstützung», sagt Stiftungspräsident Michael Schär auf Anfrage von SRF. In den letzten Jahren seien die Kosten zum Beispiel fürs Heizen «explodiert», auch das Museum benötige dringend Investitionen.

Was steckt hinter den Titeln?

Rechtlich gesehen darf in der Schweiz niemand Adelstitel führen, da diese seit Langem offiziell abgeschafft sind – das verbietet sogar die Bundesverfassung. Die «Titel» aus Thunstetten sind daher eher symbolischer Natur und nicht mit echten Adelswürden vergleichbar. «Mit ihnen wollen wir Aufmerksamkeit erregen», gibt der Stiftungspräsident zu.

Die Geschichte des Schlosses

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Luftaufnahme vom Schloss
Legende: Das Schloss ist über 300 Jahre alt. zvg/Schloss Thunstetten

Schloss Thunstetten im bernischen Oberaargau wurde zwischen 1713 und 1715 erbaut. Der Bauherr, ein Berner Patrizier, liess das Schloss nach Plänen im französischen Barockstil errichten.

Das Schloss besteht aus einem eingeschossigen Herrenhaus mit einem mächtigen Walmdach und zwei zweigeschossigen Flügeltrakten, die einen symmetrischen Ehrenhof umschliessen. Die Architektur folgt dem französischen Ideal des «Palais entre cour et jardin» und spiegelt die Eleganz des Versailles-Stils wider.

Das Schloss wechselte mehrfach den Besitzer. Ab 1865 gehörte es der Familie Le Grand, die es 1970 an die Stiftung Schloss Thunstetten übergab. Heute dient das Schloss als kulturelles Zentrum mit Ausstellungen, Seminaren und Veranstaltungen.

Michael Schär hofft auch, die emotionale Bindung zum Schloss zu stärken. «Unterstützende Personen fühlen sich so als Teil einer historischen Tradition und können an exklusiven Veranstaltungen teilnehmen.»

Zwischen Prestige und Realität

Autor und Adelsexperte Andreas Z’Graggen bezeichnet die Vergabe der Titel als einen «Witz». Aber als einen guten. Zwar gibt es noch adlige Familien in der Schweiz, die ihre Herkunft pflegen, doch offizielle Adelstitel werden rechtlich nicht anerkannt. «Man kann den Adelstitel auf seiner Visitenkarte vermerken – mehr ist aber nicht möglich.»

Ein Brief
Legende: Wer einen Titel kauft, erhält verschiedene Gegenleistungen von der Stiftung des Schlosses. Unter anderem gibt es eine Urkunde – hier ein Entwurf des «Adelsbriefs». zvg/Stiftung Schloss Thunstetten

Das Angebot des Schlosses ist also ein Marketinginstrument, das mit der Faszination für das Adelige spielt – ohne tatsächliche rechtliche Bedeutung.

«Für viele Gönner steht dabei nicht das Prestige des Titels im Vordergrund, sondern die Unterstützung kultureller Projekte und die Freude an der Geschichte», sagt Stiftungspräsident Michael Schär. Das Interesse sei da, einige Titel wurden schon verkauft.

Der Adel ist ein Symbol für Prestige.
Autor: Andreas Z’Graggen Autor und Adelsexperte

Autor Andreas Z’Graggen überrascht das Interesse an den Titeln nicht. «Für viele Menschen ist der Adel ein Symbol für Prestige und den gesellschaftlichen Aufstieg.» Doch das Verhältnis der Schweiz zum Adel sei sowieso speziell: «Die Legende, dass die Schweiz sich einst durch eine Bauernrevolution vom Adel befreit habe, ist historisch überzeichnet.»

Der Adel habe die Zeit überdauert. «Dennoch prägt diese Legende bis heute das Schweizer Selbstbild.» In Thunstetten kann man sich nun einen Teil dieser Geschichte erkaufen – zumindest symbolisch.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 10.6.2025, 6:31 Uhr ;gygm;liea

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